Wenn diese Italiener nächstes Jahr ihr zehnjähriges Bestehen feiern, blicken sie auf manchen Untergrunderfolg zurück, seien es die Auszeichnung zur besten Instrumentalband 2008 im Lande oder Auftritte im Vorprogramm von Noise-Pop-Gott Bob Mould. Dabei spielen I TRENI ALL' ALBA alles andere als übliche Rockmusik ohne Gesang.
Die „Folk Destroyers“, so der Name ihres Debüts, verzichten nämlich fast gänzlich auf verzerrte Gitarren, mögen aber nicht nur die leisen Töne. Das noch in diesem Sinne stehende „Intro“ besticht durch virtuos gespielte Akustik-Gitarre und einen kreativen Umgang mit dem Slidebar, doch schon das mit einem sehr eingängigen Melodiemotiv ausgestattete „Attila“ verzeichnet mit Klavier, Klampfen und kreativ aufspielender Rhythmusgruppe ein weites Dynamikspektrum und macht einen tierischen Vorwärtsdrang geltend. Im folgenden „L'Arte Della Guerra“ entspinnt sich vor dem gleichen instrumentalen Hintergrund ein weites, pastorales Landschaftsbild, wozu auch der Einsatz einer Trompete beiträgt.
Mit „Il Demone“ und später auch dem wechselhaften „Fino Alla Fine … Del Mondo“ zeigen sich I TRENI ALL' ALBA von ihrer elegant tänzerischen Seite. Die Gitarren und das Piano umspielen sich gegenseitig, und kurz bevor der Hörer den Verstand zu verlieren glaubt, setzen Drums und Bass aus beziehungsweise lassen es entspannter angehen. Der Mittelteil klingt für unsere „nordischen“ Ohren so lange mediterran, bis eine bewusst verstimmt klingende Klavierpassage zurück zum Hauptmotiv leitet. „L'Apocalisse“ besitzt einen leicht abgründigen Unterton, ist aber auch nicht richtig düster ausgefallen, obwohl die Band ein dystopisches Konzept im Sinn hat.
„Tempi Moderni?“ bringt als eines der seltenen Stücke elektrische Gitarren zu Gehör und geht als Alternative Prog mit leichtfüßigem Charakter durch, wobei der Tenor dem Titel entsprechend ein nachdenklicher ist. Nach „Distrettotredici“, einem mit spärlicher Rhythmik versehenen, hinsichtlich seiner Stimmung zunächst ambivalenten Track eingedenk handfester Rock-Akkorde, schließen I TRENI ALL' ALBA ihren Liederreigen mit einem taumelnden torkelnden Parkettfüller, aber „Streghe“ mutiert nach der Hälfte unverhofft zum treibenden Abgeher mit schroffen Riffs sowie aberwitzigen Klavier-Kaskaden. So endet ein zum Album gewordenes Weltuntergangsszenario der anderen Art.
FAZIT: I TRENI ALL' ALBA stehen bezeichnend für die erstarkende italienische Weiterdenker-Szene und damit im Geiste des Siebziger-Prog, obwohl sie musikalisch wenig mit den einstigen Größen ihres Landes eint. Stattdessen kommen Alben wie „Octave Of The Holy Innocents“ von Jonas Hellborg, Buckethead und Michael Shrieve in den Sinn, ferner MIGHT COULD oder die Akustik-Live-Scheibe von PAIN OF SALVATION mit einer abgedrehten Note à la THE MARS VOLTA ohne Vocals. Ergibt das Sinn? Einfach selbst ein Bild machen, denn es lohnt sich!
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 11.11.2012
Felice Sciscioli, Daniele Pierini
Sabino Pace
Paolo Carlotto
INRI / Audioglobe
38:40
23.03.2011