Mit dem Wohltätigkeitsprojekt WHO CARES haben Mr. Sabbath und Mr. Purple vergleichsweise wenig Staub aufgewirbelt, obendrein überschattet von der unsäglichen Reunion der Doom-Väter im Original-Line-up, Iommis Krebsleiden und aktuell der schmerzliche Tod von Meisterorganist Jon Lord nach just der gleichen Krankheit. Während wir auf Holz klopfen, dass diese alten Herren noch älter werden, lassen sie sich nicht lange bitten und verbinden das Nützliche, Großmütige mit dem Angenehmen, musikalisch Bestechenden.
Fürs Geld, das hoffentlich tatsächlich sinnvolle Verwendung findet (für Musikschulen in Armenien), erhält der Fan gleichsam Bekanntes wie überraschend Seltenes. Der Einstieg, das neue „Out of mind“ ist ein zäher Paukenschlag im Stil von „Born Again“, dem hässlichen Entleins im SABBATH-Katalog, allerdings mit Orgel-Versatz, den der selige Lord besteuert. Das andere Stpck aus dieser Session („Holywater“) ist ähnlich gelagert, aber zahmer. Dass Gillan über die Jahre hinweg ruhiger geworden ist, beweist der direkte Vergleich mit „Zero The Hero“, einer der unter den Tisch gekehrten Schlüssel-Inspirationen für alles, was sich Groove Metal schimpft. „Trashed“ ist hinterher die erste Rarität: Der Opener des einzigen gemeinsamen Albums der beiden Protagonisten wurde mit Paice und Glover zerrockt, und der Frontmann singt eindeutig schlechter als im Original.
„Get away“ gehört dann zu den stilistischen Ausreißern, denn das im weitesten Sinn weltmusikalische Stück stammt von einem Album des Griechen Mihalis Rakintzis und lässt sich ein wenig mit Stings „Desert Rose“ vergleichen – orientalisch, poppig und interessant, aber nicht unbedingt das, was der Altfan hören möchte. Der Rezensent mag es, steht auf das starke Arrangement, aber wie dem auch sei: Die Hards gehen auf „Slip away“ und „Let it down easy“ steil, die aus den Sessions zu Iommis „Fused“ stammen und von Glenn Hughes veredelt wurden – knochentrocken, langsam und hart, wie es der Konsens gebietet.
Neben dem Gillan-Standard „Don't hold me back“ sowie dem SABBATH Geheimtipp „Anno Mundi“ (von „Tyr“, dem zweiten gar nicht so faulen Ei im SAB-Nest, Tony Martin brillant wie meistens) und den Single-B-Seitem „He thinks it's a crime“ beziehungsweise „Hole in my vest“ (AOR-Pomp; Gillan) zeigt „Easy come, easy go“, was der Frontmann vor seinem Wiedereinsteig bei Purple verbrach. REPO DEPO hieß die Band, und die Musik muss angesichts dieses Songs spröder Melodic Rock gewesen sein, dessen Bekenntnis zur damaligen Moderne eher bemüht wirkt.
Abgesehen von den Live-Stücken der PURPLE-Scheibe mit den Londoner Philharmonikern (und Ronnie Dio) sowie dem Boogie „Can't believe you wanna leave me“ (von „Accidentally On Purpose“ mit Roger Glover) gibt es das Marvin-Gaye-Cover „Can I get a witness“, eine Beat-Jugendsünde des Sängers, und „No laughing in heaven“ zu bestaunen, ein Sprechgesang unter dem Namen von Ians Alter Ego Garth Rockett. Die Radio-Session zu „When a blind man cries“ und der Studio-Jam „Dick Pimple“ mit Steve Morse runden diese bunte Zusammenstellung ab.
FAZIT: Tony Iommis Songs spielen auf dieser wenig homogenen, aber sehr kurzweiligen Zusammenstellung eine Nebenrolle. Wer aber gemeinhin auf Japan-Veröffentlichungen verzichtet und kein Gillan-Sammler ist, findet auf „Who Cares“ eine Menge Seltenes und Kurioses, zumal er wie gesagt ein hehres Anliegen unterstützt … und seien wir ehrlich: So viel musikalische Klasse und ein solch starker „Ich hab's zuerst gespielt“-Faktor gibt es selten geballt auf zwei CDs.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 20.07.2012
Ear Music / Edel
47:04 + 48:29
20.07.2012