Auf den ersten Blick könnte man ILLUMION rasch auf die Klischee-Schiene abschieben: Niederlande, Frauengesang, Keyboard-Rock bis -Metal. Allerdings wählt die Gruppe auf ihrem zweiten Album, das Bassist Peter produzierte, einen breiteren Weg, ohne zu entgleisen.
Man hat es weniger auf kitschige Hits angelegt als eine Vermengung von Prog- mit Metal-Elementen im Sinn. Folglich brauchen die Musiker recht lange, bis sie alles in einem Stück gesagt haben, was auch für die betörende Esther Ladiges gilt, deren Texte nicht nur schmuckes Beiwerk darstellen. „Ember“, mit fast zehn Minuten eine unübliche Opener-Wahl, wird vor allem von ihr bestimmt, wenngleich sich die Männer im Kader mitunter zum Chor zusammenschließen. Abgesehen vom Dancefloor-Synthesizer und einzelnen Shouts wird die Chose klaglos ausgeführt und auf einen dramatischen Höhepunkt hin gesteuert. Refrain? Fehlanzeige.
Geschickterweise schließt man mit dem eher eingängigen „Adamantine“ ein, das auf einem konventionellen Achtel-Rhythmus beruht, aber viele Klangfarben aufmalt, etwa sphärisches Rauschen und gezupfte Akustikgitarren, die zum Ende hin einen jazzigen Flamenco-Ritt vorstellen lassen. Der Riffer „The Craft Of Memory“ erweist sich mit seinen prägenden Marimba-Sounds fast als Genre-Hit und besitzt neben der Ballade „Sorrows End“ als einziges Stück gewöhnliche Rock-Strukturen. In „A Tale Of Kings“ legen ILLUMION diese wieder zugunsten von Klangspielchen ab, in welchen sich vor allem Organist Leijdekker ergeht, während van Kampen hier wie anderswo Bratsche spielt.
Was die Gruppe letztlich für sich einnimmt, ist weniger ihre handelsübliche Version von Progressive Metal, sondern ihre Koketterie mit unterschiedlichen Stimmungen, die sich aus dem narrativen Charakter der Lieder ergibt, denn die Musik ordnet sich den Lyrics unter. In einigen Frage-Antwort-Parts und vor allem während „Espirando“ darf sich die Sängerin zudem zur ausdrucksstarken Marke vom Schlage Tori Amos oder Kate Bush gerieren. „Mystify“ (Gitarrensolo-Höhepunkt) durchmischt die jüngeren ARENA mit THE GATHERING und ragt neben dem folgenden „Canvas“ heraus. Dieses Stück ist mit Fretlessbass und Mandoline geradezu minimalistisch ausgefallen und geht ob der Gesangsmelodie nicht aus dem Kopf. Es bildet eine Einheit mit dem finalen „The Waves“, einem ebenfalls nicht unspannenden Duett zwischen den beiden Damen im Kader.
FAZIT: ILLUMION erschließen sich nicht ohne weiteres, doch die Auseinandersetzung mit ihrer Musik lohnt sich, so man ein Faible für Tulpen-Prog wie GANDILLION hat. Ansonsten fallen ein: MOSTLY AUTUMN ohne Zuckerguss, MAGENTA oder STREAM OF PASSION.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 20.11.2012
Peter Boer
Esther Ladiges
Eveline van Kampen, Gerton Leijdekker
Gerton Leijdekker
Tom Rutgers
Eveline van Kampen (Bratsche, Mandoline)
Freia Music
59:32
19.10.2012