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Reviews

Inga Lukas: The Best Of/Promo

Stil: Singer/Songwriter/Pop/Jazz/Soul

Cover: Inga Lukas: The Best Of/Promo

Dieses Review macht eine kleine Präambel notwendig. Inga Lukas, besprochen von Hendrik Lukas? Das hat doch ein Geschmäckle? Um diesem naheliegenden Gedankengang zu begegnen: Inga ist mit meinem Bruder verheiratet. Sie ist aber auch eine technisch überaus versierte Sängerin, deren Versuch, im Haifischbecken des Musikbusiness Fuß zu fassen, grundsätzlich ebenso unterstützenswert ist wie der eines jeden anderen ambitionierten Musikers. Darüber hinaus wurde im Vorfeld klar gemacht, dass aufgrund der persönlichen Konstellation keine Punkte verschenkt oder Jubelarien veranstaltet werden und über die Scheibe genau das zu lesen sein wird, was ich von ihr halte. Denn auch wenn das Schreiben hier ein Hobby ist, hänge ich persönlich das journalistische Ethos der Unabhängigkeit sehr hoch. Damit soll es genug sein, schwenken wir zur Musik.

Als gebürtige Russin und dort schon einige Zeit aktive Sängerin brachte Inga eine Anzahl bereits bestehender Songs mit, die aber in russischer Sprache gesungen waren. Für die vorliegende Promo wurde nun eine Auswahl davon zusammengestellt und teilweise mit englischen Texten versehen – mit „No More“ gibt es auch bereits einen brandneuen Song zu hören.

Gesangstechnisch muss sie sich hinter den großen weiblichen Stimmen im Pop-, Soul- und Singer/Songwriterbereich nicht verstecken, auch schwerste Kaliber wie Whitney Houston interpretiert sie fehlerfrei. Eigenen Aussagen zufolge ist sie jedoch noch auf der Suche nach ihrer eigenen stimmlichen Persönlichkeit und fühlt sich bisher gegenüber anderen, bekannten Sängerinnen nicht genügend abgegrenzt. Damit hat sie recht. Ihre Stimme ist zwar wandelbar, doch offenbart die Intonation immer wieder Querverweise auf die üblichen Verdächtigen unter den Vokal-Akrobatinnen. Unbedingt zugute zu halten ist ihr aber, dass sie ihre Melodielinien nicht massakriert, indem sie sie mit prätentiöser Tonleiter-rauf-Tonleiter-runter-Selbstbefriedigung zerjault, wie es Houston, Carey oder Braxton gerne taten und tun, sondern immer nah am Song bleibt.

Das an diversen 70er Disco-Evergreens orientierte „No More“ würde auch auf einem zeitgenössischen Gloria-Gaynor-Album zu den Highlights gehören, wobei der anachronistische Ansatz eher als Hommage denn als Abklatsch durchgeht und die Scheibe mit einem starken Argument eröffnet. Der größte Hit folgt allerdings mit „Golden Star“, das mit seiner schwülen Atmosphäre, schmeichelndem Saxophon und rollenden Jazzbesen das Bild eines verrauchten New Orleans-Jazzkellers heraufbeschwört. Der ebenfalls enthaltene Dance-Remix des Stücks geht allerdings als glatter Affront durch – sowas macht einfach Ohrenkrebs und ging bisher bei allen derartigen Versuchen dünnflüssig ins Beinkleid (mit Ausnahme von CORONERs „Grin – No Religion Remix“, der war geil). Interessant ist die russische Version („Zvezda“), die durch die Fremdheit Sprache beinahe wie ein eigenständiger Song klingt. Das zurückgenommene „In Love With You“ ist beinahe ebenso stark wie „Golden Star“, kommt ebenfalls geradewegs aus dem Jazzkeller und besticht wiederum mit einer klasse Gesangsperformance. „I Feel So High With You“ stellt eine Kombination des Glitzer-Ansatzes von „No More“ und dem Jazz-Ambiente von „Golden Star“ dar, während mit „I Will Fly“ ein zwar starker, aber auch lupenreiner – und dadurch recht generischer – Popsong mit Radiopotential vertreten ist. Die in russischer Sprache gesungenen Songs wirken auf Ohren, die an Englisch gewöhnt sind, in ihrer phonetischen Härte etwas befremdlich, sind aber wohl auch eher als Dokumentation der Herkunft zu verstehen, da zukünftige Veröffentlichungen durchweg in Englisch stattfinden sollen. Auch fällt etwa „Ja Vibrayu Lyubov“ in Sachen Melodieführung und Atmosphäre deutlich profaner aus als die Asse der Scheibe. A propos profan: Über die zu Songs wie „In Love With You“ gehörigen Texte sollte man, poptypisch, nicht allzu lange nachdenken.

Dass Musik mit solch kommerziellem Anspruch von professionellen (Session-)Musikern und somit voll auf den Punkt eingespielt wurde, versteht sich von selbst. Noch ein Wort zur Produktionsqualität: Alle Songs sind ordentlich bis gut aufgenommen, stammen jedoch erkennbar aus verschiedenen Sessions – für eine Promo geschenkt. Ungünstig wirken sich allerdings Laustärkeschwankungen aus; hier hätte man sich mit einem erneuten Mastering einen nicht allzu aufwändigen Gefallen getan.

FAZIT: Einer technisch perfekten Gesangsleistung, die freilich eine Identitätsschärfung vertragen könnte, steht eine stilistische Vielfalt gegenüber, die mit Stücken wie „I Will Fly“ zwar kommerzielle Chancen erkennen, aber auch relativ wenig Spannung aufkommen lässt und mit dem Dance-Experiment übers Ziel hinaus schießt. Wenn ich mir was wünschen dürfte, wäre es ein Album im Stil von „Golden Star“, denn abseits von Stromgitarren ist das die Musik, die ich gern höre. Mit Blick auf die Verkäuflichkeit gäbe es aber wohl schlauere Entscheidungen. Es wird spannend zu sehen, was aus dem – auch kompositorisch – großen Potenzial, das hier zu hören ist, werden wird.

Erschienen auf www.musikreviews.de am 18.12.2012

Tracklist

  1. No More
  2. Golden Star
  3. In Love with You
  4. Ja Vibrayu Lyubov
  5. Zvezda
  6. I Feel So High With You
  7. Golden Star (Dance Mix)
  8. I Will Fly
  9. Bez Tebya
  10. Dve Lubvl

Besetzung

  • Gesang

    Inga Lukas

Sonstiges

  • Label

    Eigenproduktion

  • Spieldauer

    37:22

  • Erscheinungsdatum

    18.12.2012

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