Sein Debütalbum wurde hier bereits empfohlen, und obschon diese Doppel-CD später veröffentlicht wurde, handelt es sich beim Inhalt um zwischen 2001 und 2006 zusammengetragenes Material von Jaroslav Kocián und seinen zahlreichen akustischen Helfern. Titel wie „Year 2“ oder „Year 5“, allesamt reiner, rhythmischer Ambient, lassen darauf schließen, dass Kocián bereits früher mit diesen Ideen spielte, denn sein erstes Album ist mit ähnlichen Namen indiziert worden.
Trotz der archivarischen Anlage der Platte begleiten die Stücke eine zusammenhängende Geschichte, die wie beim Debüt zweisprachig im Booklet niedergeschrieben wurde. Dort lassen sich übrigens auch die Urheber der teils befremdlichen Sounds nachlesen. „Drakard“ kommt desweiteren im Digipack in griffig rauer Pappe mit tollem blau-weißen Artwork.
„Say 'Bird'“ und „Deal and Trucks“ würden in einen Agentenfilm passen, und auch „Livred“ ist in seiner Düsterkeit mit Chorgesang und Saxofon-Triller ein Anwärter für solche Zwecke. „Theme“ hingegen scheint das Hauptthema eines fiktiven Sandalenfilms auf die Schippe zu nehmen. „Horror“ sowie „A Piece of 2“ (mit Rasseln und Scratches) könnten andererseits zu Gewitter-Szenen abgespielt werden.
Abgesehen von Stücken mit cineastischer Eignung bietet „None“ straighten, fuzzigen Electro Rock, wohingegen „Michelle“ wie eine verfremdete Schmonzette mit 8-Bit-Sounds klingt. „The Garden“ und „Binbin“ indes – sie hängen zusammen – gleichen einer zynischen Dekonstruktion („everybody's got the chance“ als kurzes Mantra) von Chart-Mucke. Folgerichtig tönen „Reforma“ und „Jam Session 6_3“ nach schrägem Dance. „Tico“, „Psychosis“ und „Vifiq Final Lucia“ sind Bumm-Bumm-Tschack, zum Teil mit ätherischem (Frauen-)Gesang und ließen sich ähnlich wie „Big One“ und die „Bambulka“-Teile (ausnahmsweise griffige Melodie inbegriffen) in die kühle Schublade Trip Hop einordnen.
„That's the Way It Is“ bringt geselliges Plaudern zu Gehör, dann New-Age-Flöte und Percussion, wie es später auf ähnliche Weise in „Minor“ geschieht. „Wild Goat's Love“ wartet mit Bläsern und Geige auf, mutet dabei aber ebenso subtil asiatisch an wie das plänkelnde „Cat“, das ähnlich relaxt aufällt wie „Oskar's Autumn“ zum Schluss. „Love Ceremony“ will sich mit schrammelnden Streichern und Techno-Puls keinem Raster fügen, ebenso wenig „Ra2“, das Pluckern mit warmem Saxofon verschränkt, und das Panning-Experiment „Ball“, in dem ein ebensolcher hin und her gespielt zu werden scheint. Einzig „Gg“ kommt als bittersüße Akustikgitarren-Ballade ohne Überraschungen aus.
Der langen Rede kurzer Sinn: „Drakard“ sollte man gehört haben, wenn man meint, alles gehört zu haben.
FAZIT: Kocián bekennt, nicht Musik zu machen, sondern die Muse durch sich sprechen zu lassen, welche von seiner unerschöpflichen kreativen Energie zehre. Dies erklärt die hohe Zahl an Stücken , mit denen er bei all jenen um verdiente Aufmerksamkeit buhlt, die neue Wege in Sachen Programmmusik kennenlernen möchten und eine literarische Ader haben.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 06.10.2012
Hevhetia
111:32
01.02.2010