Mit diesem Einstand zeigt der junge Musiker aus Kaschau bereits starke klangmalerische Qualitäten. Der Clou von „Horizon(t)“ besteht darin … Nein, wir greifen nicht vor.
Zuerst die Stilfrage: „Brontotono decoded“, das flächige „Fever“ oder „Mirror 2“ lassen sich im weiten Ambient-Feld verorten, sind Stimmengewirr und im Falle des ersten Stückes aneinandergereihte Phrasen, die wie Zitate von Prog-Rock-Alben anmuten. Selten lassen sich die Sound-Erzeuger der stets knapp gehaltenen Tracks klar ausmachen, etwa in „Yolana“ oder dem loungig pulsierenden und zischenden „ZDV“, wo jeweils eine E-Gitarre singt.
Der Titeltrack verbindet elektronisches Klingeln und rhythmisch geschlagene Holzstöcke, Keyboard-Fanfaren, eine synthetische Flöte, deren Spieler vorbeizieht, sowie ein String-Segment beschwören Filmsoundtrack-Atmosphäre herauf. Ähnliche Ideen wecken der Klingklang „Theatre mood one“ sowie „Nature“, dessen hypothetische Bilder in pastoraler Umgebung spielen mögen. „Year 4“ lenkt vom Gefühl her vor einen Tempel im Himalaya, wo ein meditierender Kocián während des folgenden „Furtado“ in die Tiefe zu rufen scheint. Später in „ZDV“ krächzen dann Raubvögel zu dunklem Drone und klatschendem Drumcomputer.
„Steal and rub“ist mit Tiefbass dubbig ausgefallen, wobei der Rhythmus aus der Konserve klingt, als wohne man einer cheesy Fernsehserie aus den achtziger Jahren bei, und auch „I feel pleasure...“, eine Schichtung von Stimmen unterlegt mit kitschigem Synth, schlägt in diese Kerbe. Die dritte ironische Spitze stellt wohl „New age influence“ dar, dem Titel gemäß selbstredend ein bemühtes Klangidyll, das zwischendurch subtil für blutende Ohren sorgt.
Auch „Maltchik“ besteht aus anmutigen Akkordzerlegungen, die mit zunehmender Spielzeit von Lärm aufgefressen werden, doch ab der Hälfte ertönt verhallter Gesang, mit welchem sich wieder ein melodiöses Moment einstellt, selbst wenn die Lautstärke zum Ende hin zunimmt. Echte und Techno-Drums begleiten in „Kurinor“ Misstöne, nach Mönchen klingende Vocals und ein schreiendes Saxofon im mittleren Lagen. Einzig „Hang out“ verweist auf die frühen Sachen von Mike Oldfield, ist aber natürlich ebenso wenig ein Song im herkömmlichen Sinn. Einem solchen wird am ehesten „RTS3_4“ gerecht, das mit einem gemächlichen Beat und Frauengesang versehen wurde, derweil ein Klavier klare Strukturen vorgibt – und jetzt zum Clou …
Blättert man im unterkühlt wirkenden Booklet, stößt man zu jedem Stück auf eine kurze Story, und alle zusammen ergeben einen linearen SciFi-mäßigen Plott, den der Rezensent dem Neugierigen anstandshalber vorenthält. In jedem Fall ist es interessant, was man in Musik deuten kann und wie selbige im Gegensatz dazu gemeint war.
FAZIT: „Horizon(t)“ mutet an wie der Score zu einem altertümlichen Buch-Rollenspiel, in welchem man abhängig von jeweiligen Entscheidungen wild blättert und kaum erwarten kann, wie es nach jeder Seite – in diesem Fall jedem der 20 Stücke der Scheibe – wohl weitergehen mag. Ein einzigartiger Künstler, dieser Jaroslav Kocián, und seine Soundeinfälle nebst Umsetzung sind von hoher Güte.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 06.10.2012
Hevhetia
56:05
01.02.2008