Das zehnte Studioalbum ist nicht nur ein Besonderes, weil es eben das zehnte ist, sondern vor allem aufgrund der Tatsache, dass es das erste nach dem Abgang von Sänger Roy Khan ist und somit den Einstand für den neuen Sänger Tommy Karevik darstellt. Der Schwede war auch schon bei den Sommerfestivals dabei, so dass inzwischen bekannt sein dürfte, dass Bandchef Thomas Youngblood mit ihm eine gute Wahl getroffen hat. Stimmlich ähnelt er Khan, ohne diesen jedoch zu imitieren, weshalb es im Grunde genommen keinerlei Umstellungsproblem beim Hörer gibt. KAMELOT hören sich also nicht groß anders an, als vorher, wenngleich Khan etwas mehr eigenständiges Charisma in der Stimme hatte, als Karevik, technisch jedoch kann man dem Neusänger überhaupt keine Vorwürfe machen.
Auch stilistisch hat sich bei den Bombast Melodic Metallern nicht viel verändert, wenngleich "Silverthorn" im Vergleich mit den beiden Vorgängeralben etwas weniger düster und melancholisch ausgefallen ist - auch wenn das Coverartwork etwas anderes vermuten lässt. Trotzdem wird die ganz große Klasse von "The Black Halo" oder "Epica" nicht erreicht, denn obwohl es von edlen Melodien auch auf "Silverthorn" nur so wimmelt, fehlen die ganz großen Hits à la "Center Of The Universe" oder "The Haunting (Somewhere In Time)". Im Grunde genommen ist das aber Jammern auf hohem Niveau, denn auch auf "Silverthorn" findet sich manch ein hartnäckiger Ohrwurm und so erwischt man sich dabei, wie man nach einiger Zeit immer noch den Refrain von "Sacrimony (Angel Of Afterlife)" im Kopf mitträllert, einer urtypischen KAMELOT-Nummer, die nach dem Intro "Manus Dei" im Musical-Style schnell klarmacht, wo der Weg lang geht.
Zackig und etwas moderner gehalten kommt "Ashes To Ashes" daher, im dramatisch-bombastischen "Torn" wird der Soundtrack-Charakter weiter in den Vordergrund geschoben, während der "Song For Jolee" eine bildhübsche Ballade ist. Mit "Veritas" folgt danach der Höhepunkt von "Silverthorn", der Song vereint alles, was man an KAMELOT mag: kraftvoll, mit großen Chören, Damenbegleitung, keltisch anmutendem Solo und natürlich starken Gesangslinien. Das Akkordeon, das erst ganz am Schluss ertönt, hätte man aber ruhig auch früher einsetzen dürfen. Danach geht es auf gewohnt hohem, aber nicht schwindelerregenden Niveau weiter: in "My Confession" mit interessanter Kombination aus harten Strophen und sanftem Refrain, im bombastischen Titeltrack mit hohem Tempo (und Kinderchor), in "Falling Like The Fahrenheit" getragener und im fast neunminütigen "Prodigal Son" ein bisschen progressiver.
"Silverthorn" wurde wieder mit Sascha Paeth aufgenommen und hat einen dichten Sound, in dem die Bombast- und Soundtrack-Elemente recht gleichberechtigt neben den metallischen stehen - oder anders ausgedrückt: wer auf krachende Gitarren steht, kommt hier nicht unbedingt auf seine Kosten. Natürlich sind auch wieder allerlei Gäste mit von der Partie, darunter die Sängerinnen Elize Rhyd (AMARANTHE), Alissa White-Gluz (THE AGONIST) und Amanda Somerville, außerdem die Straps-Streicherinnen von EKLIPSE. Das Konzeptalbum hat zudem ein hübsches Artwork und ist zudem als limitiertes Boxset mit Bonus-CD und anderen Goodies erhältlich.
FAZIT: "Silverthorn" ist ein sehr guter Einstand für Tommy Karevik und insgesamt ein gutes KAMELOT-Album, an dem es im Grunde genommen kaum etwas auszusetzen gibt. Trotzdem hat man ein bisschen das Gefühl, als hätte Youngblood seinen kreativen Zenit in Sachen Songwriting inzwischen überschritten.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 07.12.2012
Sean Tibbetts
Tommy Karevik
Thomas Youngblood
Oliver Palotai
Casey Grillo
Steamhammer / SPV
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26.10.2012