Es fällt schwer, die gedankliche Brücke zwischen dem Bild von fliegenden Untertassen über alten Kulturbauwerken und melodischem Death Metal zu schlagen. KARNAK SETI („Karnak“: ägyptisches Dorf mit berühmter Tempelanlage, „SETI“: „Search For Extraterrestrial Intelligence“) verspricht bunt schillerndes Formwandlungsspektakel, liefert aber pünktlich mit der Schulglocke trockenen Göteborg-Unterricht, der eher im düsteren Klassenzimmer stattfindet als direkt vor Ort in der heißen ägyptischen Sonne.
Kann das inspirieren? Wenn es um die primitive Verbreitung einer Stilrichtung geht, dann sicherlich. „In Harmonic Entropy“ ist ein klar strukturiertes Genre-Album, das die Stilmerkmale abhandelt wie Tagesordnungspunkte: wellenartige Growls, Strophen mit Double-Bass-Dominanz, Twin-Leads, pessimistische Refrains und verspielte Saitenläufe inmitten der Härte, alles bekommt seine fünf Minuten und ist quasi als dreidimensionales Studienobjekt abrufbar. Eifrige Streber werden da fleißig mitschreiben.
Leider kann man seine Uhr danach stellen, wann mal wieder ein Break fällig ist und die nächste Lektion ansteht. Anstatt Wagemut zu beweisen und ein paar Grenzen zu verschieben (wenn schon nicht aufzubrechen), reihen sich die Einzelelemente wie Hühner auf der Stange aneinander und ergeben ein lautes, gackerndes Gesamtbild, das aber durch und durch den Gesetzen der Natur unterliegt – so isser eben, der Melodic Death Metal. Und so. Und dann noch so. Und so auch. Ist er aber auch mal dieses und jenes gleichzeitig oder leicht versetzt überlagert? Ergeben sich daraus auch mal neue Formen? Hier kaum.
Die paar Modern-Metal-Anteile sind erstens nicht der Rede wert und zweitens nicht dominant genug, um gesondert herausgehoben zu werden. Auch ein, zwei Versuche, die Exotik des Pakets aus Tracklist, Band- und Albumtitel sowie Coverartwork anhand von hauchzarten Keyboardflächen (wohl erstmals, aber wiederum so unscheinbar, dass kaum vorhanden) umzusetzen, fällt unter die Kategorie „Vorwand“. Inspiriert „In Harmonic Entropy“ also auch in Bezug auf Überraschendes? Ebnet es Wege? Eben nicht.
FAZIT: Staubtrockene Genrekiste und damit eher Puristen zu empfehlen, die ihre Hosen mit Bügelfalten säuberlich an der Stange aufzuhängen pflegen und in deren CD-Regal vollständige Backkataloge auch mittelklassiger Göteborg-Vertreter anzutreffen sind. Man mag sich einbilden können, dass sich KARNAK SETI durch einen dunklen, vollmundigen, südländischen Teint in der Soundfärbung speziell auszeichnen, aber vermutlich ist das bloß ein Phantomeindruck, der dem Wissen geschuldet ist, dass es sich um eine portugiesische Band handelt. Für eine Eigenproduktion immerhin vorzeigbar.
Punkte: 7/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 20.08.2012
Claudio Aguiar
Luis Erre, Shore Filipe Costa
António Jesus, Renato Ramos
Juan Pestana
Luis Barreto
Eigenproduktion
47:42
02.12.2011