LATIN QUARTER sind wieder da. Aber eher reformiert als in einer Reunion wiederauferstanden. Steve Jeffries war schon Teil von Steve Skaith‘ hervorragender Neubearbeitung des QUARTERschen Backkatalogs „Latin Quarter Revisted“. Mit Yona Dunsford, Greg Harewood und vor allem Texter Mike Jones ist die Formation der ersten Jahre fast wieder komplett. Und schließen nahtlos an Skaith‘ vor fast genau zwei Jahren erschienenes Solowerk an. Und natürlich an die eigene Vergangenheit. Was bedeutet: Auf „Ocean Head“ findet sich freundlicher Singer-Songwriter Pop mit Botschaft. Das macht die Band per se schon mal sympathisch. Auch nach über zwanzig Jahren des Bestehens, inklusive längerer Auszeiten, wachen Auges durch die Welt gehen und die Beobachtungen kritisch, aber nie plump in Lieder zu verpacken, die fast zu schön klingen, um wahr zu sein, ist angesichts der gesichts- und geschichtslosen Castingshow-Nulpen, die an jeder Chartecke rumlümmeln, eine rühmliche und freudige Angelegenheit. Mit Mike Jones hat man allerdings auch einen Schreiber an Bord, der sein Metier beherrscht und zu Recht auf den Veröffentlichungen als vollwertiges Bandmitglied geführt wird. Seine düsteren Texte kollidieren geradezu mit der geschmeidigen Musik. Besonders im Opener, der fast schon schlagerselige Heimeligkeit vorgaukelt, zu Lyrics, die von der Verlorenheit im Niemandsland erzählen. Perspektivlos gestrandet sein irgendwo in dieser Welt, jenseits einer Grenze, die man eher verzweifelt als hoffnungsvoll überschritten hat.
Yona Dunford klingt ungewohnt glatt und klar, erst in den Folgestücken wird sie, gemeinsam mit Steve Skaith, zum vokalen Kennzeichen LATIN QUARTERs. Es mögen mehr als zwanzig Jahre vergangen sein, aber die alte Magie ist noch da. Auf „No Man’s Land“ geht die Band einen atypischen Weg; hier wirkt Dunford wie eine Erweckungspredigerin, die ihre Zuhörerschaft mit schunkeliger Gospelnähe wachrütteln möchte. Angesichts des nachdenklichen, pessimistischen Textes eine Konterkarierung, die es in sich hat. Lässt man sich drauf ein, gewinnt der Song je öfter man ihn hört.
Das folgende „Legalise It“ geht den umgekehrten Weg und erinnert gleich mit den ersten Tönen an vergangene Bandklassiker. Beschert ihm einen hohen Wiedererkennungswert. Man fragt sich nur: Woran? „Radio Africa”?
Danach folgt der Freischwimmer, ohne Verlust der eigenen Identität.
Innige Balladen, etwas schnellere Songs mit Reggae- und Tex-Mex-Touch, sparsam, aber mit Gespür für die beabsichtigte Wirkung instrumentiert. Zum zurückhaltenden, präzisen Rhythmusgerüst gesellen sich bei Bedarf opulentere Orgel- und Violinklänge. Beherrschend bleiben aber Steve Skaith (akustische) Gitarre und Steve Jeffries am Piano. Wobei immer klar sein sollte: Hier herrscht Reduktion, nicht Zurschaustellung des eigenen Könnens. LATIN QUARTER funktionieren als Band. Angekommen im 21. Jahrhundert. Auch ohne Nostalgie-Bonus.
FAZIT: Gelungene Rückkehr einer kleinen, klugen und wichtigen Institution. Die es nicht nötig hat, sich auf den Lorbeeren der Vergangenheit auszuruhen. Ein wenig Mut zu kantigeren Tönen könnte in Zukunft noch hinzukommen, aber auch so ist „Ocean Head“ ein hochwillkommenes Comeback. Textlich wie musikalisch Balsam.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 17.02.2012
Greg Harewood
Yona Dunsford, Steve Skaith, Lenny Zakatek (bv), Mary carewe (bv), Emily & Becky Carewe-Jeffries (bv)
Steve Skaith
Steve Jeffries
Dan See (1-4,6,7), Bob Jenkins (8,10,11), Ralph Salmins (9)
Mike Jones (Lyrics), Laura McWilliam – (vl 6,11)
Westpark (Indigo)
42:35
17.02.2012