„Jeder Schuldige hat eine Zukunft. Jeder Heilige hat eine Vergangenheit. Das wird ewig so sein!“ Mit diesem Zitat von Oscar Wilde wird man auf der offiziellen Homepage und zugleich der CD „Ewig“ der LETZTEn INSTANZ begrüßt. Doch wie wohl sieht's mit der Zukunft und Vergangenheit dieser Leipziger Band aus, die mit „Ewig“ nunmehr ihre Trilogie, bestehend aus den Alben „Schuldig“, „Heilig“ und „Ewig“, abschließt?
Während das Cover von „Schuldig“ noch die Ausstrahlung einer Wichsvorlage für Gothic-Fans hatte und „Heilig“ wie die Werbe-Kampagne für Enthaarungsmittel am Beispiel des Heiligen Vaters wirkte, treffen nun also die erotische Höllen-Welt auf das abrasierte Himmel-Universum, um sich im erneuten Comic-Kitsch von „Ewig“ zu vereinen. Pathetische Comic-Kunst ist bestimmt nicht jedermanns Sache und wirkt manchmal sogar abschreckend – wie im Falle dieser Musik-Triologie. Eigentlich schade – und auch nicht sehr passend für die Musik, die sich hinter solchem „Kunstwerk“ von INGO RÖMLING verbirgt.
„Na, ja“, denke ich schon nach kurzer Zeit, „die LETZTE INSTANZ hat wohl ein bisschen zu oft E-NOMINE gehört oder war vom letzten SCHILLER-Konzert so begeistert, dass sie gleich ein paar Ideen von ihm auf ihre neuste CD gebannt haben.“ Doch schon ein paar Minuten später wird mir beim Hören von „Ewig“ bewusst, dass die LETZTE INSTANZ tatsächlich voll ungewohnter Intensität die etwas verloren gegangene Leidenschaft für ihre lange Zeit so typische „Brachial-Romantik“ wiederentdeckt haben. Und den wesentlichen Anteil daran steuern die „apocalypti(ca)schen“ Streicher bei!
Dazu kommt HOLLY LOOSEs Stimme, die wie eine Kombination aus angenehm glattpoliertem ERIC FISH-Gesang (SUBWAY TO SALLY) sowie ostalgischer STEPHAN TREPTE-Röhre (MAGDEBURG, REFORM, ELECTRA) klingt und sogar beinahe gefährlich anmutende Ähnlichkeiten zu DER GRAF, bzw. UNHEILIG, aufweist. Darum wäre es die pure Ungerechtigkeit, wenn beispielsweise „Von Anfang an“ oder „Mein Kind“ nicht einen ähnlichen Erfolg wie „Geboren um zu leben“ einfahren würde. Hauptsache, die Jungs von der LETZTEn INSTANZ machen sich danach nicht auch auf SAT 1 zum Kasper und begraben ihre letzten Ideale auf dem Kuschelfriedhof der privaten Fernsehwerbung.
Nachdem also „Aeternitas“ im E-NOMINE-Stil mit düsterer Sprechpassage das Album eingeleitet hat, donnert auf „Ewig“ die Brachial-Romantik nach kurzem, sanftem Vorspiel so richtig los: „Komm doch mit mir, hab keine Angst!“ Ein bisschen Angst bekommt man da schon. Die LETZTE INSTANZ entdeckt ihre neue Härte. Und selbst HOLLY LOSEs Gesang, der bisher immer gerade in ruhigen Passagen so gekonnt zu überzeugen wusste, trifft nunmehr auch hervorragend die lauten Töne. Ein wichtiger Schritt, denn diese lauten Töne bestimmen den umfangreicheren Teil auf der „Ewig“-CD.
Mit „Blind“, einem Song über die Entfremdung eines Paares, darf dann EISBLUME als Duett-Partnerin dem Titel weibliches Flair einhauchen. Dazu kommt noch ein Refrain, den man so schnell nicht vergisst. Aber keine Angst, hier gibt’s keinen schmalzigen Pop, dafür sorgen die harten Gitarren und beinahe aggressiven Streicherklänge sowie der traumatisch anmutende Text: „Mach die Augen auf, verdammt!“ Die Ohren sind hier garantiert weit offen. Das wird auch bis zum Ende des Albums dauerhaft so bleiben, selbst wenn in gewissen Momenten ein wenig zu hart rockende Eintönigkeit einzieht, was mitunter auch an dem nur selten wirklich einfallsreichen Schlagzeugspiel liegt. Hier gibt’s noch deutlich Luft nach oben, selbst wenn auf „Wieder einmal Rot“ der neue Schlagzeuger DAVID PÄTSCH ganz besonders intensiv die Felle bearbeiten darf. Überhaupt schleicht sich zumindest bei mir das Gefühl ein, dass etwas mehr perkussive Zurückhaltung dem Album gut getan hätte und man dafür den Streichern noch mehr Spielräume einräumen sollte. Wer das völlig anders empfindet, kann mir gerne in der Kommentarzeile widersprechen – kein Problem!
„Et In Arcadia Ego“ wagt sogar einen instrumentalen Ausflug in dunkle psychedelische Gefilde, bis „Von Anfang an“ ein regelrechter „Hit“ geworden ist, vor dem sich selbst UNHEILIG tief verneigen müsste. Mal sehen, wie lange es dauert, bis auch irgendeine aufgeschlossene Radiostation diesen Song für sich entdeckt.
Eine akustische Gitarre lässt uns bei „Wo das Meer...“ anfangs weiter in dieser verträumten, ruhigen Stimmung schwelgen, während eindringlicher Gesang und getragene Streicher uns dann endgültig in diesem Meer langsam, aber sicher versinken lassen, aus dem uns „Schuld“, „Unterwegs“ & „Sing!“ krachend wieder herausholen.
Mit der traurigen Ballade „Mein Kind“, wieder in diesem typischen UNHEILIG-Stil vorgetragen, findet einerseits „Ewig“ und andererseits diese CD-Trilogie einen bewegenden und würdigen Abschluss, in dem auch die Streicher mal so richtig melodramatisch klingen dürfen.
Mit Tränen in den Augen drückt der Eine oder die Andere dann vielleicht sogar die Repeat-Taste an seinem/ihren CD-Player.
FAZIT: Mein lieber und zugleich geschätzter Kollege Andreas Schulz schrieb in seiner Kritik zu „Heilig“ (mit dem Enthaarungsmittel-Cover): „Es gibt sie immer wieder, diese Bands, die man eigentlich ein bisschen doof findet, bis man sie mal wieder hört.“ Mir ging es ganz genauso, denn nachdem mich früher einmal RESISTANCE mit „Aufstand der Zwerge“ (im Grunde die Vorgängerband von LETZTE INSTANZ) regelrecht weggeblasen hatte und ich die LETZTE INSTANZ zweimal live erlebte, wendete ich mich nach „Kalter Glanz“ von ihnen ab. Die Musik erreichte mich einfach nicht mehr. Ganz anders aber sieht es bei „Ewig“ aus. Hier wird endlich wieder das bisschen an musikalischer Letzte-Instanz-Glut, die in mir noch schwelte, wieder neu entfacht! UNHEILIGe Brachial-Romantik in Reinkultur ohne jegliches Doofheitsempfinden!
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 28.08.2012
Michael
Holly Loose
Oli, Holly D.
David Pätsch
Benni Cellini (Cello), M. Stolz (Violine), Eisblume (Gesang auf "Blind")
Drakkar
61:23
31.08.2012