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Lonny Ziblat: Songs From The Drawer

Stil: Songwriter mit deutlichem Hang zum Progressive-Pop!

Cover: Lonny Ziblat: Songs From The Drawer

Kann sich jemand vorstellen, dass PAUL McCARTNEY und FRANK ZAPPA heimlich ein Balladen-Album aufgenommen haben und nie den Mut hatten, dieses zu veröffentlichen? Allerdings waren ihnen die entstandenen Demo-Aufnahmen zu schade, um sie zu vernichten. Denn gerade McCartney durfte auch mal seine verspielten Songwriter-Qualitäten ausgiebig zum Tragen kommen lassen und Zappa schon die ersten klassischen Ideen mit einbringen, ohne sich ganz von seinen „verrückten“ Musik-Einfällen verabschieden zu müssen. Doch plötzlich – im Jahr 2011 taucht dieses Album unter dem Pseudonym LONNY ZIBLAT auf und nennt sich „Songs From The Drawer“. Gute Idee, nicht wahr – schließlich haben sich McCartney und Zappa ja auch durch ihre Zeichnungen und Malereien einen zweiten Kunstnamen gemacht.

Doch was soll der Quatsch – dieser Kritiker-Hirn-Furz?!
LONNY ZIBLAT ist natürlich kein Pseudonym, sondern steht für den musikalischen Quer-Kopf von MODEST MIDGET, die mit ihrem Album „The Great Prophecy Of A Small Man“ bereits ein laut hörbares Musik-Achtungszeichen setzten und das mich auf unseren Seiten zu der Erkenntnis kommen ließ, dass wir es hier mit einer „abwechslungsreichen Vielfalt“ zu tun haben, die sich geschickt zwischen Jazz und Pop, BEATLES und Zappa bewegt.

Jetzt aber geht Ziblat, der in Argentinien geborene, lange Zeit in Israel lebende und nun in Amsterdam wohnende Multiinstrumentalist, solistische Wege. Leisere Wege. Ohne zum Glück jedoch auf entsprechende Ecken und Kanten zu verzichten. Er kombiniert geschickt Gesangstitel mit kurzen Instrumentals. Dabei ist Ziblats Gesang so zerbrechlich wie eine Kiste Meißner Porzellan und genauso wertvoll für „Songs From A Drawer“. Besonders schön dabei auch der letzte Song „Stel“, in holländischer Sprache gesungen und ausschließlich von einem Klavier begleitet. Ein trauriger Abgesang eines guten, leider mit 34 Minuten viel zu kurz geratenen Albums.

Fast jede Minute dieser CD versprüht zugleich auch die MODEST MIDGET-Atmosphäre. Nur werden durch Lonny Ziblat deutlich die progressiven Elemente zurückgenommen, dafür eindeutig mehr Singer-Songwriter-Elemente eingebaut. Mit „Tomorrow“ integriert er gleich noch eine Linda- und Paul-McCartney-Komposition, die sich wie ein Guss in das Album einfügt. Überall sind die BEATLES, aber auch die WINGS präsent. Doch um nicht zu glatt und berechenbar zu klingen, gibt’s immer wieder diese zappaesken Momente, egal ob sie vorrangig in den instrumentalen Titeln oder durch plötzliche Wendungen in den gesungenen Songs auftauchen. Genau das macht den Reiz dieser Aufnahmen aus – und „Songs From The Drawer“ zu einer spannenden Musikzeitreise in ein Studio, in dem sich McCartney und Zappa heimlich hätten treffen können, um ein paar Balladen der besonderen Art aufzunehmen. Und Lonny Ziblat muss irgendwie mit dabei gewesen sein.

FAZIT: Ein Album wie Meißner Porzellan. Rar und wertvoll, auch wenn es manchmal ein wenig Demo-Charakter besitzt! Zwei gekreuzte Schwerter gegen die Kreuzung aus einem Musiker und seine übersprudelnden Ideen.

Punkte: 11/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 23.10.2012

Tracklist

  1. How Far Is Leiden
  2. The Ska Is The Limit
  3. Funny Honey
  4. If I Were A Tree
  5. My Little Quality
  6. Tomorrow
  7. Promise
  8. Black Hill
  9. The Shadow Of My Day
  10. Walter Your Pants
  11. How Much
  12. Stel

Besetzung

  • Bass

    Lonny Ziblat

  • Gesang

    Lonny Ziblat

  • Gitarre

    Lonny Ziblat

  • Keys

    Lonny Ziblat

  • Schlagzeug

    Lonny Ziblat

  • Sonstiges

    Sonja Helasvuo (Violine & Viola)

Sonstiges

  • Label

    Multi-Polar Music

  • Spieldauer

    34:01

  • Erscheinungsdatum

    23.12.2011

© Musikreviews.de