Schon putzig, dass eine Band, die sich bereits 1985 zu DDR-Zeiten gegründet hat, von der Plattenfirma als „Metal-Hoffnungsträger“ aus Thüringen bezeichnet werden. Gut, der Weg von MACBETH war jederzeit steinig und hart, zahlreiche Nackenschläge und menschliche Tragödien begleiten die deutschsprachige Combo seit jeher, so dass man erst seit 2006 Studioalben veröffentlicht und mit „Wiedergänger“ erst das dritte Werk auf den Markt bringen kann. Insofern relativiert sich die lange Bandhistorie ein wenig.
Jenes dritte Werk allerdings, so viel sei vorweggenommen, hat es massiv in sich. Heavy Metal der puren, reinrassigen Art trifft auf bissig-melodischen Thrash Metal, und heraus kommt ein hochexplosives und intensives Gebräu, das als böse Variante der APOKALYPTISCHEN REITER bezeichnet werden könnte. Textlich beschäftigen sich die Songs mit Themen, die durch die Bank weg als RAMMSTEIN-kompatibel bezeichnet werden könnten: Es geht um Kannibalismus, das menschliche Fleisch als solches, Krieg, beklemmende Szenarien eines lebendig Begrabenen. Also tendenziell alles eher nicht so lustig, aber zu den intensiven Riffattacken und den eindringlichen Vocals von Sänger Olli Hippauf würden auch definitiv keine fröhlichen Texte passen.
Auch wenn vorhin der Vergleich mit RAMMSTEIN gefallen ist: Musikalisch haben die Erfurter mit ihren Landleuten so rein gar nichts am Hut, und auch wenn Hippauf als gesangliche Mischung aus Chris Boltendahl und Kevin Russel charakterisiert werden könnte, sind weder GRAVE DIGGER noch die BÖHSEN ONKELZ als ein musikalischer Parameter, an denen MACBETH gemessen werden müssten. Streng genommen ist es sogar relativ schwer, die Band exakt zu verorten. Neben den Reitern wären vielleicht noch OVERKILL als grobe Orientierung zu nennen, wobei MACBETH sich jederzeit eine ganz eigene Note bewahren. Was vor allem an den höchst eigenständigen Vocals von Meister Hippauf liegt.
Der Mix aus melodischem Thrash und treibendem Metal produziert einige echte Highlights; und je nach textlicher Stimmung schafft es die Band, auch den Song entsprechend klingen zu lassen. In „Kamikaze“ geht erwartungsgemäß die (L)uzi ab, in „Begraben“ hört man dagegen förmlich, wie der Sand auf den eigenen Sarg geschaufelt wird. Das alles aber verblasst regelrecht gegen den absoluten Höhepunkt des Albums, wenn MACBETH in einer Trilogie den Wahnsinn von „Stalingrad“ thematisieren. Unterteilt in die Abschnitte „Kanonenfutter“, „Untergang“ und „Das Kreuz“ wird das Kämpfen, Leiden und Sterben der Soldaten in einer der unsinnigsten Kriegsschlachten der modernen Welt besungen, musikalisch je nach Stimmung mit garstigen, fast eisig-blackmetallisch angehauchten Gitarrenriffs und gnadenloser Härte garniert oder mit melancholischen Akustikparts untermalt. Und textlich gehen MACBETH deutlich tiefer als beispielsweise zuletzt ACCEPT mit ihren platten und nichtssagenden Stalingrad-Lyrics der Marke „So hungy, so cold“.
FAZIT: Wer seinen Metal schön roh, manchmal räudig und garstig mag, der muss hier zuschlagen. MACBETH liefern fraglos das deutschsprachige Album des Jahres für alle Metaller ab. Zuschlagen!
PS: Die Standard-CD endet übrigens mit der Stalingrad-Trilogie - danach ist der Hörer tatsächlich auch so mitgenommen, dass man erst einmal eine Pause braucht. Das limitierte Digi-Pak liefert satte 16 Minuten Bonusmaterial, die sich allerdings nahtlos an die Stalingrad-Songs anschließen - zumindest der Kritiker war damit überfordert. Vielleicht hätte man bei der Zusammenstellung die Bonustracks vor die Trilogie setzen sollen. Egal, jammern auf ganz hohem Niveau nennt man das wohl.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 24.09.2012
Hanjo Papst
Olli Hippauf
Ralf Klein, Alexander Kopp
Simon Mengs
Massacre
50:41
28.09.2012