Wie bitte soll man diesem Album entfliehen können, wenn einem bei PINK FLOYD schon immer die schwer psychedelischen Stücke am Herzen lagen, für die ein SYD BARRETT die Hauptverantwortung trug???? Oder wenn „Echoes“ unser persönliches Gold-Treppchen bei den PF-All-Time-Favorites erklommen hat????
Hier gibt’s (m)eine Garantiebescheinigung dafür, dass solche Flucht nicht möglich ist, weil dieses kanadische Quartett uns mit auf ihre Musik-Reise zu den Ursprüngen der Psychedelic und den schönsten Erinnerungen an unsere alten bekifften Helden nimmt. Ganz geschickt verweben die vier Mannen aus Winnipeg dabei zusätzlich Unmengen von elektronischen Spielereien, samt Loops, Samples und Synthie-Gequietsche, damit nicht eine Minute lang der Eindruck entsteht, wir hätten es hier mit einer Kapelle zu tun, der man den verheerenden Stempel „Plagiator“ aufdrückt.
Bereits der Einstieg in „Senna“ beginnt wie das floydsche „Astronomy Domine“ und zieht uns genauso in den Bann wie Harry Haller das „Magische (Kiff-)Theater“ in Hesses „Steppenwolf“. Und was „Houndstooth Part 1“ (klassische Psychedelic) und „Houndstooth Part 2“ (Post-Rock voller Elektronik-Verfremdungen und „hitähnlichen“ Melodien) versprechen, das wird auch konsequent bis zum Ende von „Senna“ durchgezogen.
Selbst dass der Krautrock bereits kanadische Gehörgänge erobert hat, ist unverkennbar, wenn bei „Expo '67“ eine „Gamma Ray“-Breitseite abgefeuert und zugleich an diese mysteriöse Expo, die im kanadischen Montreal nur darum stattfand, weil zuvor Moskau abgesagt hatte, erinnert. Onkel Stans Botschaften zum grauen Hemd und grünen Haus sind dann wiederum schwer experimentelle Fusions-Nummern voll beängstigender Ausstrahlung. In solchen Momenten werden Erinnerungen an einen deutschen Gegenpol zu dieser Musik wach: ELECTRIC ORANGE. Die Faszination von MAHOGANY FROG vermögen diese deutschen Krautrocker jedoch nicht ganz zu erreichen.
„Senna“ ist kein Album aus unserer Zeit, sondern die tiefe Verneigung vor einer Ära, als die Liebe tatsächlich frei und das Leben viel ehrlicher war, weil die 68er noch Ideale hatten, die sie Jahre später auf dem Friedhof ihrer eigenen kleinbürgerlichen oder christlichen Werte begruben. Schöne Scheiße, dass gerade eine kanadische Band mich zu solcher Erkenntnis bringt. „Make Love, Not War!“ - nicht wa(h)r, Herr de Maizière, du alte Kriegsplaudertasche mit christlichem Parteibuch unter der kugelsicheren Weste! Musikalisches Feuer frei – da hilft auch keine kugelsichere Weste mehr! „Shut up 'n play 'Senna'!“
FAZIT: Ein Album, das so klingt, als wäre die Zeit irgendwann zwischen PINK FLOYDs „Echoes“, BIRTH CONTROLs „Gamma Ray“, DOORS „Riders On The Storm“, HAWKWINDs „Silver Machine“ und IRON BUTTERFLYs „In-A-Gadda-Da-Vida“ stehengeblieben – allerdings in ihrer ausschließlich instrumentalen Variante.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 13.11.2012
Scott Elenberger
Jesse Warkentin, Graham Epp
Graham Epp, Jesse Warkentin
Andy Rudolph
Scott Elenberger (Electronics), Andy Rudolph (Electronics)
Moonjune Records
43:12
18.09.2012