Elf Musiker, und dennoch so bedächtig arrangiert. Dem Saxofonisten MALTE SCHILLER ist mit RED BALLOON ein Schelmenstreich gelungen: Sein Jazz klingt mitnichten nach scheppernder Big Band, die Standards zum Besten gibt, sondern expressionistisch und mitunter extrovertiert, wie es im gegenwärtigen Szene-Geschehen innerhalb Europas zum guten Ton gehört.
So benötigt das eröffnende Titelstück gut die Hälfte seiner neun Minuten, um sich zu entfalten. Der Sound der Combo ergibt sich vornehmlich aus Alt- und Tenorsaxofonen sowie Klarinetten, welche die melodische Motivik klar vorgeben. Die Rhythmusgruppe agiert hingegen unauffällig. „Keep The Child In Mind“ klingt auf diese Weise wie eine klassische Jazz-Ballade und heimelt vor allem mit einem segensreichen Klarinettensolo an. Zum Schluss erklimmt man beträchtliche Dynamik-Spitzen – ein Faden, welcher das folgende „Marlin“ aufgreift, denn hier steht das laute Blech von Florian Menzel im Vordergrund. Zum Schluss hin erweist sich das Stück als Ohrwurm mit prägnant schleichender Melodie in Wiederholung.
„Salty Lake“ klingt als zärtlicher Moment klagend und in den Klarinetten-Passagen verhalten nach Klezmer, was das Saxofon indes konterkariert. SCHILLER hat es sich nicht nehmen lassen, Coltranes „Giant Steps“ neu zu interpretieren. Seine Version fällt aufregend genug aus, lehnt sich aber nicht krampfhaft aus dem Dekonstruktions-Fenster. Aufgrund der Struktur des Stücks brilliert die Rhythmusgruppe endlich einmal. Billy Strayhorns „Lush Life“, ein Standard aus der zweiten Reihe, veredelt Lars Seniuk mit seinem virtuosen wie zurückhaltenden Gebläse, und „Tango I“ ist genau dies – gepflegter Kaffeehaus-Jazz zum Tanzen, hier wie zuvor gewitzt gespielt und voller Schwelge-Melodien (Klavier!), wie es dem südländischen Stil gerecht wird.
FAZIT: „The Second Time Is Different“ ist nichts wirklich Anderes im Bereich Combo-Jazz, dafür jedoch ein Album mit fünf erstklassigen Kompositionen für eine üppige Besetzung, die dennoch luftig und obendrein – ein großes Plus – eingängig klingen. Die beiden Neuarrangements fügen sich unauffällig ein. Wer jüngst von Dave Hollands Oktett begeistert war – weniger alte Big-Band-Fans – findet mit MALTE SCHILLER einen neuen Schatz.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 18.02.2012
Andreas Waelti
Manuel Schmiedel
Reini Schmölzer
Viktor Wolf, Malte Schiller, Charlotte Greve, Timo Vollbrecht (Klarinette), Charlotte Greve, Malte Schiller (Flöte) Viktor Wolf, Charlotte Greve, Malte Schiller, Timo Vollbrecht Saxofon), Florian Menzel, Johannes Böhme, Lars Seniuk (Trompete, Flügelhorn)
Unit Records / Alive
46:55
17.02.2012