Es ist natürlich ein leichtes – und zudem derzeit äußerst en vogue – über MANOWAR zu lästern. Die ehemaligen „Kings Of Metal“ haben sich mit großspurigen und realitätsfernen Ankündigungen, einer unverschämten Preispolitik bei Konzerten und nicht zuletzt schwindelerregend schwachen Veröffentlichungen (Liste stark verkürzt) selbst bei vielen ehemaligen Die-Hard-Fans komplett ins Abseits geschossen. Spätestens mit dem letzten Album „Gods Of War“ war für die meisten der Tiefpunkt erreicht. Abgesehen von weiteren hanebüchenen Presseerklärungen und Selbsteinschätzungen, die Lothar Matthäus wie einen zurückhaltenden, schüchternen und bodenständigen Innenraumdekorateuren erscheinen lassen, versteht sich.
Aber man ist ja durchaus gewillt, all das auszublenden, wenn es um das neue, zwölfte Album geht, gewohnt hochtrabend „The Lord Of Steel“ betitelt. Gut, dass die Band vorab im englischen Metal Hammer eine CD-Version veröffentlicht hat und zudem einen Download des Albums freigegeben hat, die sie im Nachhinein als „Vorab-Versionen“ bezeichnen und jetzt die „endgültige Version“ mit geändertem Sound auf CD nachschieben, hat natürlich mal wieder einen Nachgeschmack, der leider Gottes in den letzten Jahren typisch für MANOWAR geworden ist. Gut, wir wollen auch das ausblenden, ebenso wie die Tatsache, dass die Band vor langer Zeit diverse Heldentaten veröffentlicht hat, die auch 20 bis 30 Jahre später noch in hellem Schein glänzen. „Battle Hymns“, „Into Glory Ride“, „Hail To England“, um nur die ersten drei Alben zu nennen, kennt jeder, der auf puren, unverfälschten Heavy Metal steht, episch und kraftvoll.
Schnee von gestern, hier und jetzt geht es um: „The Lord Of Steel“. Alles andere ausblenden. Vergessen. Und dann setzt der Opener und Titeltrack ein – und man kommt direkt auf eine Vokabel zurück: Vergessen. Seelenloses Dauer-Double-Bass-Getrappel, ein erschreckend dünn klingender Eric Adams, ein Basssound, der zwischen „experimentell“ und „breiig“ einzusortieren ist, lieblos aneinandergereihte Klischeevokabeln der Marke „Power“, „Steel“, „Sword“, „Steel“, „Glory“, „Steel“, „Steel“ und „Steel“ – und zu allem Überfluss ein Solo von Gitarrist Karl Logan, das so uninspiriert und deplatziert wirkt, als sei es einfach aus einem anderen Song kopiert worden. Immerhin: Auch wenn der Song hochgradig steril und leblos klingt, so ist er doch um Welten besser als vieles auf „Gods Of War“.
„Manowarriors“ nennt sich der zweite Song, und er klingt genau so peinlich, wie man sich das in seinen schlimmsten Albträumen ausmalen könnte. Selbstbeweihräucherung á la MANOWAR (freilich auf dem Niveau eines Achtklässlers: „Never gonna change our style, gonna play tonight for quite a while, in heavy metal we believe, if you don’t like it time to leave“, das wird aber in der Tat noch „getoppt“ von der lyrischen Abseitsstellung „We come from different countries, with metal and with might, we drink a lot of beers, and play our metal loud at night“), in Kombination mit simplen Beat und laut mitzugröhlenden Refrain dürfte der Song auf den kommenden Konzerten vermutlich in einer Reihe mit „Brothers Of Metal“ oder „Warriors Of The World United“ stehen – eine Wertung dieser Tatsache bleibt dem Leser überlassen.
Nach den zwei akustischen Tiefschlägen folgt mit „Born In A Grave“ der erste, nun ja, Höhepunkt. „Born In A Grave“ zeigt erstmals klassische MANOWAR-Gesangslinien, einen deutlich sicherer agierenden Eric Adams und weiß auch ansonsten – abgesehen vom erneut komplett verzichtbaren Gitarrensolo – zu überzeugen. Mit „Righteous Glory“ folgt die erste Ballade, die allerdings kaum bleibenden Eindruck hinterlässt. Das gilt auch für „Touch The Sky“, das im Midtempobereich vor allem eines ist: unauffällig. Damit hat der Song allerdings einen elementaren Vorteil gegenüber „Black List“. Der ultrasimple Stampfer ist musikalisch derart belanglos, dass es schmerzt. Sechs Minuten vertonte Langeweile, sich wie Kaugummi ziehend.
Mit „Expendable“ wird die Härteschraube angezogen, und zwar in Bereiche, die man von MANOWAR bislang nicht kannte. Wie war das noch vorhin mit „never gonna change our style“? „Expendable“ ist durch und modern gehalten, setzt im Riffbereich tatsächlich ein Ausrufezeichen, und auch Adams‘ aggressive Stimme passt zum Song. Nicht unbedingt klassischer MANOWAR-Stoff, aber doch gut. Das vorab im Netz kursierende „El Gringo“ verbreitet mit seinen westernbeeinflussten Gitarrenharmonien und den „Hu – Ha“-Shouts eine diffuse Stimmung zwischen staubigem Western und Dschinghis Khan (die Gruppe, nicht der Mongolenführer!), punktet aber dennoch mit seiner leichtfüßigen und leicht nachvollziehbaren Art. Sieht man mal wieder von dem Gitarrensolo ab.
„Annihilation“ geht als Mischung aus „Expendable“ und „Black List“ durch: Modern, hart – und unfassbar öde. Und, bitte, könnte jemand Karl Logan den Stecker aus dem Verstärker ziehen? „Hail Kill And Die“ zeigt das Selbstverständnis der Band um Obergroßmaul Joey de Maio: Während Bands wie SABATON Hymnen auf ihre Helden schreiben und dort Band- oder Titelnamen aneinanderreihen („Metal Crüe“, „Metal Machine“), zitieren MANOWAR ausschließlich MANOWAR. Natürlich wird der beinharte Manowarrior (sic!) „Hail Kill And Die“ aufgrund dieser textlichen Auseinandersetzung mit den früheren Großtaten jubilieren, doch während man lyrisch hier einfachste Zweit- und Drittverwertung betreibt, reicht’s musikalisch noch nicht mal für die Reststoffsammeltonne. „The Kingdom of Steel“ nennt sich die abschließende Ballade. Nett. Oder? Egal, hab’s schon wieder vergessen.
FAZIT: Lassen wir mal die Lyrics beiseite, die man als Unverschämtheit bezeichnen kann, als Schlag ins Gesichts eines jeden, der früher einmal mit Freude vor dem Booklet einer neuen MANOWAR-CD saß. Blenden wir die unterirdischen Gitarrensoli Karl Logans aus, ignorieren wir die Tatsache, dass Eric Adams nie schwächer agiert hat als auf „The Lord Of Steel“, sehen wir über den reduzierten und rohen Sound hinweg, der manches Stirnrunzeln verursacht: Dann bleibt das beste MANOWAR-Album seit „Gods Of War“. Scherz beiseite, das Thema ist traurig genug: Mit „Born In A Grave“, „Expendable“ und „El Gringo“ gibt es gerade einmal drei gute bis sehr gute Songs, und das ist einfach viel zu wenig für ein MANOWAR-Album. Oder, um mit Joey DeMaio zu sprechen: Time to leave.
Punkte: 5/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 31.10.2012
Joey DeMaio
Eric Adams
Karl Logan
Donnie Hamzik
Magic Circle Records
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19.10.2012