Für alle, die die Geschichte hinter diesen Aufnahmen nicht kennen, sei sie hier kurz nacherzählt:
Als der große Bruder des neunjährigen Charles aus Long Island bei einem Verkehrsunfall ums Leben kommt, kaufen seine Eltern dem Kleinen eine Gitarre, die ihn über den Schmerz der Trauer hinwegtrösten soll. Der klassische Unterricht währt nur kurz, denn Charles wird bald darauf zum beinharten Rockfan. Erst schwärmt er für KISS. Anfang der 80er Jahre besucht er die High School. In einer Zeit, in der im Wochentakt bahnbrechende neue Alben und Demotapes erscheinen, wird Charles, nun Chuck genannt, zum Metaller. IRON MAIDEN beeindrucken ihn mit ihrer Komplexität, Härte und Image von VENOM und MOTÖRHEAD ziehen den 16-jährigen magisch an.
Mit zwei anderen Metalheads aus seiner Schule, Gitarrist Frederick und Barney, der Schlagzeug und Gesang übernimmt, gründet Chuck Ende 1983 MANTAS. Ein Bassist lässt sich erst mal nicht auftreiben. Geprobt und aufgenommen wird in der Garage von Chucks Mutter. Nach drei Probemitschnitten haut das Trio sein erstes Demo raus: „Death By Metal“ heißt das Teil, das ab Sommer 1984 die Runde im Underground macht. Das Cover ist geschmackssicher mit schwarzem Filzstift gemalt und kopiert. Frederick nennt sich sich jetzt Rick Rozz, Barney heißt Kam Lee und auf den ersten Fotos post man wie Cronos, Abaddon und, logisch, Mantas aus Übersee.
Die ersten Auftritte in dieser Besetzung schneiden MANTAS auch noch mit, danach ist erst mal Schicht im Schacht und jeder probiert es auf eigene Faust. Es folgt ein immens verwirrendes Bäumchen wechsel dich-Spiel, an dessen vorläufigem Ende 1987 mit „Scream Bloody Gore“ das erste Album von DEATH steht.
Das MANTAS-Demo wurde auch früher schon wiederveröffentlicht, der jetzige Release rühmt sich aber damit, zum ersten Mal beide Demo-Versionen sowie einen bislang unveröffentlichten Probemitschnitt auf einer CD zu vereinen. Auf der Deluxe-Version gibt es sogar noch mehr Probenlärm und einen Liveauftritt von Anfang 1984 zu bestaunen. Dazu spendieren Relapse noch einige unveröffentlichte Fotos im Booklet. Ähnlich einem Multi-Angle-Menü auf DVD kann man sich so durch drei verschiedene Versionen von beispielsweise „Legions Of Doom“ zappen und den Eindruck bekommen, die Band befände sich wahlweise im Keller (Demo Version 1), im Badezimmer (Demo Version 2) oder in der Nachbarwohnung (Early Rehearsal 1984). Für eine Kassettenrekorderaufnahme ist der Sound aber schon aller Ehren wert.
Der DEATH-Fan sei allerdings gewarnt, denn MANTAS haben noch wenig mit dem zu tun, was später als Death Metal zu einem eigenen Genre wurde. Am ehesten hört man die Marschrichtung bei „Legion Of Doom“, wo sich eine schwer walzende Strophe mit einem Abgehrefrain abwechselt, und das melodische Lead zu Anfang von „Evil Dead“. Der Rest ist eindeutig am damaligen Thrash von SLAYER und VENOM orientiert. Klar, die Jungs waren erst 17 und rumpeln auch noch ordentlich, die Solos sind aber nicht viel schlechter als das, was ein gewisser Kirk Hammett in dem Alter ablieferte.
FAZIT: Nachdem die gesamte CD auch bei metalunderground.com kostenlos gestreamt werden kann, werden sich wohl nur beinharte Fans und metalaffine Musikwissenschaftler das Teil zulegen.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 03.07.2012
Kam Lee
Rick Rozz, Chuck Schuldiner
Kam Lee
Relapse
47:16
14.06.2012