NAPALM DEATH. Eine dieser Bands, die mich mein Leben lang begleitet haben, die mich trotz einiger musikalischer Kurskorrekturen nie enttäuschten und mindestens einmal pro Jahr live erlebt werden. Im Laufe der Jahre habe ich verschiedene Bekannte zu Gigs NAPALM DEATHs geschleift, einfach um die beste Band der Welt auf das Radar der Normalos und Indie-Hörer zu bringen. Und jeder musste hinterher zugeben, dass das vielleicht nicht seine Musik ist, aber die Energie und Wut dieser Band unfassbar ist. Nein, ich kann nicht alle Songs in der Live-Situation beim Namen nennen, aber was zählt, ist diese unglaubliche Power und Adrenalin-Injektion, die auf den Zuschauer und Hörer übertragen wird. Und: NAPALM DEATH haben sich nie verkauft. Ich erinnere mich an Geschichten über Barneys Ausraster im Century-Media-Büro anlässlich des Signings der Christen AS I LAY DYING und an immer klare Ansagen gegen sämtliches Spackentum – sei es Politik, Kapitalismus oder Religion – dieser Erde. „Think For Yourself.“
Und NAPALM DEATH halten eisenhart Kurs.
„Utilitarian“ heißt das aktuelle Werk, geschenkt, ob es Longplayer Nummer 14 oder 15 ist, von der 87er Originalbesetzung der Band ist eh seit Jahren niemand mehr dabei. Utilitarismus bezeichnet im philosophischen Kontext als Ziel grob gesprochen die Maximierung des Glücks, das durch das Glück des Einzelnen entsteht. Grindcore mit Hirn ist also weiter angesagt, das Cover ist ein Hinweis zur Alten Schule, musikalisch hat man aber möglicherweise sein Meisterstück abgeliefert. Dass der Opener meist eher ruhig und atmosphärisch ausfällt, hat sich bei NAPALM DEATH ja eingebürgert, so kraftvoll, düster und mächtig wie bei „Circumspect“ gingen die vier Herren aber noch nie zu Werke. Im Hintergrund sind breite Keyboardklänge und Streicher eingemengt, bevor mit „Errors in The Signals“ ein klassischer Überschall-Kracher über den Hörer hereinbricht. Aber NAPALM DEATH haben gelernt, dass Geschwindigkeit nicht alles ist, immer wieder drosseln sie die Hochgeschwindigkeit ihrer unverwechselbaren Gitarren-Riffs und variieren diesmal hauptsächlich mit den Gesängen. Zum gewohnt souveränen Gebrüll Barney Greenways wird bei „ The Wolf I Feed“ ein cleaner Refrain Marke FEAR FACTORY addiert, während sich das nochmals weiter ausgebaute hohe Geschrei von Mitch Harris durch die Gehörgänge ätzt. Die schon auf „Time Waits For No Slave“ zu vernehmenden düsteren tiefen Chorgesänge, die immer wieder an die SWANS erinnern, werden diesmal noch häufiger eingebaut, gelegentlich sogar in schnellen Passagen und machen NAPALM DEATH so noch eigener.
Musikalisch tobt man sich weiter in der eigenen Liga aus: Grindcore mit unmenschlich präziser Gitarren-Arbeit, ein markerschütternder wummernder Bass und ein lässiges Blast-Drumming, das auch nach Konzerten nur einen minimalen Schweißansatz auf dem T-Shirt von Danny Herrera hinterlässt. Der Death-Metal-Anteil der Musik ist deutlich in den Hintergrund getreten, Grind- und Hardcore regieren, NAPALM DEATH sind weiter unverwechselbar und bei aller Kompromisslosigkeit doch ein wenig eingängiger als gewohnt.
FAZIT: Bei NAPALM DEATH weiß man nie so genau, was die nächste Scheibe bringt, ich frage mich aber, ob zu „Utilitarian“ noch eine Steigerung möglich ist?
Punkte: 15/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 22.02.2012
Shane Embury
Mark "Barney" Greenway
Mitch Harris
Danny Herrera
Century Media
46:11
24.02.2012