NOISEAUX ist das Bandprojekt von Noah Sow, die nicht nur Musikerin, sondern auch engagierte, streitbare Aktivistin im Kampf gegen Rassismus ist. Nachzulesen u.a. in ihrem Buch „Deutschland Schwarz Weiss: Der alltägliche Rassismus“ oder ihrer Homepage. Außerdem ist sie die „Vorsitzende der von ihr 2001 in Hamburg mitgegründeten media-watch-Organisation “der braune mob”, deren Ziel eine diskriminierungsfreie deutsche Medienöffentlichkeit ist“. Was sich textlich auf ihrem Album natürlich niederschlägt. Insbesondere beim drängenden, lasziven Opener „I Have A Loaded Voice“ – direkt nach dem kurzen Prolog, der nur aus Sirenengeheul und dem wunderbar kryptischen Wort „Bavaropeulhfrancohanseate“ besteht – und dem eindeutigen Statement von zwingender Konsequenz: „Nodemoracy“.
Die Musik dazu: Abwechslungsreich, weitgehend elektronisch, den Geist des Punk atmend, ohne je schlichte, krawallige 3-Akkord-Kracher zu produzieren. „Spectrum“ ist witzig, (nicht nur) für Nerds gibt es diverse Videospiel-Verweise, von teilweise berauschender chansonesker Melancholie; tanzbar, ruppig, so ruppig wie verfremdeter Soul-Funk nur sein kann, wütend, wenn es um Ungerechtigkeit geht, und lässig, entspannt, wenn die beseelten Seiten des Lebens zelebriert werden.
Es werden Erinnerungen wach an die wunderbare Solo-CD „Skindiver“ von NONA HENDRYX, an die balladesken Momente NENE CHERRYs (minus Opulenz), aber auch an die Klanginstallationen einer LAURIE ANDERSON.
NOISEAUX versteht es, mit überlegt eingesetzten rhythmischen und melodischen Mitteln, für Spannung und Soul zu sorgen. „My Voice Is A Loaded Gun“ ist ein faszinierendes Paradebeispiel für diese Mixtur aus Ökonomie und Gefühl. „Resonate my Dance” präsentiert dann die tanzbare Variante mit perkussivem Zentrum, auf’s Wesentliche reduziert. HEAVEN 17 trifft auf African Rhythm’n’Blues. Mit Betonung auf Rhythm.
„Spectrum“ überzeugt in seiner Mixtur aus Ernsthaftigkeit, hintergründigem Witz, Sentiment und coolem Groove. Ein paar shilly-shally-Sailor-Moon-Momente sind irgendwie putzig, aber auf Dauer leicht nervig und verzichtbar. Aber das macht nur wenige Minuten eines überaus hörenswerten Albums aus.
FAZIT: “Elektro-Loop-Afro-Chanson“ trifft die Gemengelage auf „Spectrum“ tatsächlich verdammt gut. NOISEAUX hat viel mitzuteilen, vergisst darüber aber die Musik nicht. Gefühlvoller, elektronischer Urban Soul, tanzbare Protestsongs („This Is No Democracy!“) mit scharfen Synthesizern und treibendem Rhythmus – das geht zusammen, weil NOISEAUX es bindet. Ein paar Kinkerlitzchen sind überflüssig, aber das große Ganze: Berückende Musik für Herz, Bauch und Hirn.
Und WAS für eine Ballade zum Schluss.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 27.10.2012
Noah Sow, Msoke (on 6)
holy St. Eve (on 2,4,5,7)
Noah Sow
Jeanne Dark Records/Soulfood
45:47
26.10.2012