Herbe Zeichnungen tragen PANDORA’S BALL im Booklet von “Full Size Nothing” zusammen: Kinder, die sich Pistolen in den Mund schieben, und gekritzelte Sinnsprüche wie: „Without a reason to complain, did Kurt Cobain just die in vain? If there is nothing to defend, why don’t we break what we can’t bend?” Markige Worte und Bilder … Wie mag da die Musik ausfallen?
Das Quartett stammt aus dem Raum Freiburg und wagt hiermit nach einem Demo sowie einer EP einen ersten Langstreckenlauf, der bereits während der vergangenen beiden Jahre produziert wurde. Die Frage der Aktualität ist aber unerheblich, weil sich die Band hörbar auf der Höhe der Zeit befindet: Kantiger und im weitesten Sinn alternativer Rock lautet das Gebot, wobei – um die anfängliche Frage zu beantworten – eine düstere, aber nicht ausweglose Stimmung vorherrscht.
„171 Lake Washington Blvd.” und „Challenged“ fallen wütend bis nörgelnd aus, doch der Groove ist eher so-lala, was sich wiederum zwischendurch etwa mit „Cascade“ und auch später bessert, zumal Schlichting verträglicher singt und gemeinsam mit seinem Gitarrenpartner kreischende Solo-Akzente setzt. Einzig der dröge Riffer „Fade“ (passt auch im Deutschen, der Titel) stinkt trotz bluesiger Note ab. Eine zum Zappel verleitende Indie-Kante schlagen PANDORA’S BALL hingegen mit „Deep In“ und dem Titelsong zum Schluss an – schrullig-spannend, das.
Dank „Special Dave“ beziehungsweise des hittigen „Bloodless“ ordnen sich PANDORA’S BALL stimmig zwischen Ketten-Alice und Klanggarten ein, wenngleich um eine eigene Duftmarke bemüht und noch ausbaufähig. Atmosphärisch ruhige Parts („Holosex“) und wiederholt fallengelassene, post-punkig weite Instrumental-Schleier runden ein hoffnungsfrohes Gesamtbild ab.
FAZIT: PANDORA’S BALL rocken nicht immer geradeaus und empfehlen sich deswegen vor allem Freunden störrischer Grunge-Stilblüten, also den Frühwerken der Besagten und umso mehr Bands aus der zweiten Seattle-Reihe (TAD, MUDHONEY). Dass man zudem über einen relativ charismatischen Frontmann verfügt, der pseudogroße Gesten meidet, ist ein weiteres Plus.
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 27.07.2012
Markus Schillberg
Arthur Schlichting, Markus Schillberg
Arthur Schlichting. Peter Brian Norwood
Peter Strobel
Eigenvertrieb
51:57
27.07.2012