Es ist schon verblüffend, wenn die streitlustige Zappa-Familie, die so etwa jedem eine Klage an den Hals hängt, wenn er auf das Material oder den Namen des musikalischen Gott-Übervaters FRANK ZAPPA zurückgreift, plötzlich ihre Vorliebe für eine Münchner Band entdeckt, die für ihre instrumentalen Metal-Prog-Jazz-Brachial-Cover-Ausbrüche bekannt ist und sogar Panzerketten in Ballett-Schühchen zwingt. Eigentlich klingt das doch ähnlich wahnsinnig wie der Geist des musikalischen Übervaters von DWEEZIL ZAPPA, der auf der Homepage von PANZERBALLETT extra mit folgenden Worten zitiert wird:
„Eine wirklich gute Sache. Eigentlich mag ich die Leute ja nicht, die meines Vaters Musik neu arrangieren und aufführen – aber das hier war eine angenehme Überraschung.“
Diese Worte scheinen sich wohl auf das letzte 2009er Album von PANZERBALLETT zu beziehen, in denen die Münchner Band, unter Federführung ihres Gitarristen JAN ZEHRFELD, ein zwölfminütiges ZAPPA-MEDLEY genauso darboten, wie eine völlig abgefahrene Version von NICOLEs „Ein bisschen Frieden“ oder ABBAs „Gimme Gimme Gimme“. Dieses sich ständig wiederholende (Cover+Eigenkompositionen-)Konzept ist bei PANZERBALLETT nun schon seit Jahren Programm und damit langsam, aber sicher berechen- und durchschaubar.
Blieb also nur die Frage, welche Pop- oder Schlager-Sternchen diesmal von PANZERBALLETT auf's jazz-metallische Korn genommen werden und wie hoch der Anteil der Eigenkompositionen diesmal ist?
Und ruckzuck gibt’s auf „Tank Goodness“ die Antwort – wohl DER Klassiker aus dem „Dirty Dancing“-Film (Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendwer den Film mit PATRICK SWAYZE und JENNIFER GREY nicht kennt!): „(I've Had) The Time Of My Life“, gesungen von BILL MEDLEY & JENNIFER WARNES. Bei den fünf musikalischen Panzer-Grenadieren dürfen sich als Gäste nunmehr am Mikrophon CONNY KREITMEYER & RON VAN LANKEREN die Leinenschläppchen überstreifen und den bis zur Unerträglichkeit in allen Radiostationen runtergedudelten Song zum Besten geben, bis sie von den metallischen Riffen wie von den Ketten eines Panzers niedergewalzt werden. Dem gegenüber stehen vier Eigenkompositionen, wobei sich die Cover-Versionen diesmal stärker auf Jazz- und Funk-Songs beziehen.
Doch nicht nur die wilden E-Gitarren-Gewitter spielen auf „Tank Goodness“ eine besondere Rolle – als eine Art Gegenpol wühlt sich immer wieder das Saxofon von ALEXANDER VON HAGKE durch die Metall-Gewitter und Stakkato-Donnerschläge! Typisch PANZERBALLETT eben – getreu der Formel: „Metal + Jazz = Panzer + Ballett!“ Damit wusste man zu gefallen. Damals, als das noch neu und ziemlich einzigartig war. „Tank Goodness“ ist das Heute. Doch es erinnert einfach nur noch an das Damals, ohne wirklich im Heute anzukommen. PANZERBALLETT widerfährt eine Entwicklung, die große Gefahren in sich birgt. Ihre Alben werden austauschbar – die Einzigartigkeit verschwindet in der Vergangenheit ihrer ersten hervorragenden Alben. Und da können sie sich selbst im Promo-Zettel so sehr beweihräuchern, wie sie wollen und RANDY BRECKER, der auf „Some Skunk Funk“ seinen eigenen Song mit Hilfe von PANZERBALLETT quasi selbst covert, zitieren, der den Münchnern bescheinigt, „die erste Band zu sein, die Musik wirklich ins 21. Jahrhundert führt.“ Eine pure Übertreibung!
So – und auch nach dem achten Durchlauf dieses Albums kann ich dem von mir nicht sonderlich geliebten Zappa-Sohnemann, der im Grunde mehr von seinem Namen als seiner Musik profitiert, einfach nicht zustimmen! Bei „Tank Goodness“ erwartet mich keine „angenehme Überraschung“, sondern eine „unerwartete Enttäuschung“. Ich höre Musik, die mir bekannt vorkommt – vom Konzept her genauso wie von der Darbietung. Das Einzigartige ist ihr leider abhanden gekommen.
Auch werden plötzlich zumindest bei mir Erinnerungen wach, an jemanden, der mit einer ähnlichen Intuition an seine Musik geht – und den ich plötzlich diesem musikalischen Kriegsspielzeug vorziehe: LES CLAYPOOL von PRIMUS oder noch besser dessen FROG PARADE, in der er sich ebenfalls als knallharter Cover-Fanatiker von KING CRIMSON und PINK FLOYD beweist, und Songs hinzaubert, die besagte Bands in einem völlig neuen metallisch-psychedelischen Jazz-Panoptikum erscheinen lassen. Das war mindestens noch vor PANZERBALLETT genauso einzigartig – und aus heutiger Sicht besser.
FAZIT: Worin nur liegt für mich das PANZERBALLETT-Problem? Nach langem Nachdenken war die Antwort fast peinlich einfach: „PANZERBALLETT sind zum Musik-Programm geworden, das sich zwar neu zu erfinden versucht, sich dafür aber viel zu treu bleibt.“
Punkte: 8/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 08.10.2012
Heiko Jung
Conny Kreitmeier & Ron van Lankeren (auf Titel 5), Mattias "IA" Eklundh (auf Titel 7)
Jan Zehrfeld, Josef Doblhofer, Mattias "IA" Eklundh (Titel 7)
Sebastian Lanser
Alexander von Hagke (Saxofon), Randy Brecker (Trompete auf Titel 1)
Gentle Art Of Music / Soulfood Music
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28.09.2012