Der Vielspieler unter den Bassisten zeigt auf diesem seltenen Studioalbum – der Mann mag es live – eine experimentierfreudigere Seite als bei seinen zielgerichteten Fusion-Projekten: „Morally Topless“ wirkt überraschend ernst und gesetzt, ist weniger leicht verdaulich und spielerisch schillernd ausgefallen, kompositorisch dazu sehr frei.
Davon zeugt der Einstieg „Tough Talk“, dessen Kernmotiv erst gefunden werden möchte. Häufig beschränkt sich die rhythmische Untermalung auf dieser Scheibe – Ryba soliert ja ständig auf dem Bass – auf Percussion. „Smaller Wounds“ und „Normal Moral“ verharren im Balladesken unter ausgiebiger Verwendung von Flageolets, die bis in „Tomorrow Will Be Better“ hinüberreicht, einer von Chorus-Effekt geprägten Solo-Studie. Im Finale allein, bei dem Gitarrenikone Mike Stern eine Nebenrolle einnimmt, kommt so etwas wie ein schmissiger Groove zustande, was das Album ein wenig schizophren anmuten lässt.
Bei Monks „Straight No Chaser“ erweist Ryba der Klavier-Legende insofern die Ehre, als er sich respektvoll ans Original hält und abgesehen von einem überschaubaren Spot beim zweckdienlichen Walking bleibt, während Drummer Nop teuflisch gut swingt. In dieser Hinsicht setzt er nur während „Together“ einen drauf. Das andere vorhersehbare Stück ist „Absinth“, bei dem Gaststar Stern abermals gefällige Gitarrenlinien anfügt: hausgemachter Saubermann-Jazz, der sich des Vorwurfs des Austauschbaren bei aller spielerischen Güte nicht erwehren kann – und „Song For Jaco“, so liebevoll er gemeint ist, tönt trotz der anheimelnden Melodien gleichsam seicht, zumal Ryba ohnehin ein Mensch gewordener Tribut an den Vater aller Fretless Bassisten ist.
FAZIT: Ryba spielt live befreiter auf. „Morally Topless“ mutet unschlüssig an und überzeugt abseits des tollen Handwerks kompositorisch nicht auf ganzer Linie. Zudem geben sich die Macher mit dem Titel und den Liner Notes humorvoll, alldieweil sie entweder Standardkost oder bemüht Tiefsinniges darbieten, statt locker aus der Hüfte zu schießen. Nicht dass sie dazu außerstande wären.
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 23.09.2012
Pavel Jakub Ryba
Mike Stern
Mikolás Nop, Camillo Caller, Jirí Kollman
Petr Albert Venkrbec (Saxofon)
Hevhetia
73:39
10.02.2003