PELICAN sind der Postrock-Urschlamm. Wüten sie umher, dann nicht aus Bösartigkeit; verbreiten sie Glück, dann nicht, um anderen Freude zu bereiten. Die Antwort lautet immer: Es klingt so, wie es klingt, weil es von der Natur so gedacht ist. Obwohl Stürme keine Intention besitzen, Schaden anzurichten, so liegt es doch in ihrem Wesen. PELICAN implizieren die Unvermitteltheit auf ganz ähnliche Weise – keine Genre-Reflexionen, keine Ironie, keine doppelten Böden, stattdessen reine Unschuld. Darin liegt vielleicht das wertvolle Gegengewicht des Postrocks im Allgemeinen und PELICANs im Speziellen zum von Berechnung versauten Musicbiz.
„Ataraxia“ bedeutet „Unerschütterlichkeit“ und meint die mentale Neutralität gegenüber äußeren Störfaktoren, die das innere Gleichgewicht bedrohen könnten. „Taraxis“ ist gerade ein solcher Störfaktor, der die Seelenruhe in Gefahr zu bringen versucht. Damit wäre dann auch schon die Dynamik und somit die Quintessenz des Postrocks beschrieben. Sind PELICAN jetzt also, da sie ihre neue EP „Ataraxia / Taraxis“ benannt haben, zur Meta-Band mutiert, die in vollem Bewusstsein an den Regeln des Spiels herumdoktert?
Musikalisch gibt es dafür kein Indiz. Geklammert von den beiden Titeltracks „Ataraxia“ und „Taraxis“, breiten PELICAN wie gewohnt ihre Flügel aus und hämmern ihre rohen Signale in die Stratosphäre, immer mit diesem fließenden, narrativen Touch, eher aber so, als werde die Geschichte vom Wind erzählt anstatt von einem Erzähler. „Ataraxia“ eröffnet dabei grollend und suspensehaltig, mit anschwellenden Effekten und Akustikgitarren, und wäre da anstatt einer Wüste eine Eiswüste auf dem Cover, durch die ein Husky jagt, man würde glatt an die Eröffnungssequenz aus John Carpenters „The Thing“ denken.
Am anderen Ende, auf „Taraxis“, nehmen die Akustischen den Faden wieder auf und fädeln sie in ein ISIS-artiges Konstrukt, auf welches Toningenieur und Ex-ISIS-Drummer Aaron Harris vermutlich reichlich Einfluss genommen hat. Es wird überwältigt von schweren Soundwällen aus verzerrten E-Gitarren, und so endet die EP mit dem erwarteten Donnerschlag.
Mittendrin zwei weitere Stücke good old PELICAN, mit „Parasite Colony“ ein schnelleres Stück mit trippelnder Saitenarbeit, „Lathe Biosas“ dagegen walzend und doomig.
FAZIT: Wenngleich der Titel eine Bewusstwerdung der eigenen Persönlichkeit andeutet, ging es in den vier Studios, in denen „Ataraxia / Taraxis“ entstand, wohl so zu wie gehabt: Direkt vom Kopf in die Hand, die das Instrument bedient. PELICAN trotzen den Erfolgen, die sie einheimsen konnten, und klingen immer noch so ungeschönt wie auf „Australasia“, gleichwohl genauso statisch; auf „What We All Come To Need“ war letztlich mehr Weiterentwicklung zu spüren.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 20.05.2012
Bryan Herweg
Trevor de Brauw, Laurent Schroeder-Lebec
Larry Herweg
Southern Lord
18:05
20.04.2012