Die Dummbratzen und Metal-Säulenheiligen SLAYER dürfen froh sein, einen weitsichtigen Musiker wie Dave Lombardo in ihren Reihen zu zählen, denn der Drummer ist derjenige, der ihnen während der letzten Jahre zu ein wenig medialem Auftrieb verholfen hat. Dass sich der Mann im schrankenlos kreativen Umfeld von Mike Patton (der allerdings auch nicht nur Golddukaten absondert) oder eben Gerry Nestler deutlich wohler fühlt, merkt man dem nach Ewigkeiten endlich fertiggestellten Einstand von PHILM an.
Genauso ersichtlich wird vom ersten Ton des finsteren Openers „Vitriolize“ an, dass der Sound dieses Trios (Basser Tomaselli ist ein Session-Veteran, der alles von WAR bis Janet Jackson abgefrühstückt hat) vor allem auf Nestlers Mist gewachsen ist: Dissonanzen, krasse Dynamikbrüche und auf den ersten Blick primitiv rohe Strukturen, die ihre Cleverness erst nach mehreren Durchläufen offenbaren, waren bereits charakteristisch für CIVIL DEFIANCE und KKLEQ MUZZIL. Lombardos Spiel klingt sehr organisch und reduziert, lo-fi wie auch die Gitarre und der mitunter melodiös hervorstechende Bass, dies etwa im entrückten „Mitch“ oder während der Strophen des brutalen „Dome“. Dementsprechend hat der Trommler sein Kit auf vier Teile reduziert, und angesichts dessen, was er damit zu Gehör bringt, wird seine Klasse noch einmal deutlich.
Mit „Hun“ und „Area“ tönen PHILM besonders kompakt, was sie erst mit dem treibenden „Mild“ und im Abschluss „Meditation“ erneut forcieren: klare Hooks, relativ melodischer Gesang und beinahe klassische Solos rücken die Tracks in die Gefilde verträglicher MELVINS, wobei man ob der unterschwellig brodelnden Stimmung an Post-Hardcore im besten Sinn gemahnt. „Way Down“ ist ein kriechendes, leises Stück, bei dem Erinnerungen an die cineastischen FANTÔMAS aufkommen. Dass die drei Musiker in intimer Heimatmosphäre per Improvisation Material sondiert haben, wird ebenfalls ersichtlich, denn so frei die Lieder auf „Harmonic“ (der Titeltrack ist allerdings ein Ambient-Instrumental, das als in der Tat spannendes Zwischenspiel dient) auch klingen, so stringent geschrieben muten sie an.
Im Unterwasser-Instrumental „Killion“, während „Mezzanine“ und bei „Exuberance“ kehrt die Combo ihre Jazz-Einflüsse hervor, hörbar gemacht durch Becken-reiches Drumming, Walking Bass und expressionistisch cleanes Gezupfe. All dies sorgt für eine wiederum bedrohliche Atmosphäre, die zuletzt lauter, energetische Jam-Parts bestätigen. Verlieren sich PHILM gelegentlich ins rein Materialhafte, hüten sie sich dennoch davor, sinnlos zusammengestückelte Ideenpatchworks einzureichen. „Sex Amp“ stellt einen Gegenpol dar: Wah-Wah-Gitarre leitet ein, wütend simples Geholze übernimmt die Staffel. Dies wiederholt sich zweimal und ergibt eines der eingängigsten Stücke dieses Debüts.
„Amoniac“ fußt auf schmatzend bauchiger, nur angezerrter Gitarre und einem eindringlichen Text. Mittig überrascht Lombardo mit Stammes-Getrommel, und die zweite Hälfte schließt an die Einleitung an, wodurch PHILM eine hypnotische Wirkung erzielen. Diese bewahrt „Held In Light“, wiederum ein Soundtrack-artiges Konstrukt, das sich für einen Film Noir eignen würde, wären da nicht die einstweilen harschen Ausbrüche, in denen Nestler glaubhaft verzweifelt klingt. „Lips touch the water / The call is backwards“.
FAZIT: „Harmonic“ ist kein schwer verdaulicher Brocken, aber auch mitnichten ein ohne weiteres gefallendes Album. PHILM verlangen den Einsatz des Hörers und belohnen abgesehen von einer gänzlich analogen Produktion mit harter, visionärer Musik sowie tiefsinnigen Texten, die sich kaum einordnen lässt und auf lange Sicht hin fesselt. Der Name Nestler verpflichtet gewissermaßen.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 28.05.2012
Francisco Tomaselli
Gerry Nestler
Gerry Nestler
Dave Lombardo
Ipecac / Soulfood
62:20
18.05.2012