Hardliner streiten, welches Album von PINK FLOYD das beste ist, obwohl sich dies an und für sich bei jeder künstlerisch ernstzunehmenden Band verbietet, denn wie Neil Peart auf „Vapor Trails“ dichtete: „It's not a race, it's a journey.“ Fest steht aber zweifelsfrei, dass „Wish You Were Here“ im zeitlichen Kontext – übergeordnet wie auf die Karriere der Band bezogen – eine der wichtigsten Scheiben der Institution ist. Nach dem „Immersion“-Set gilt es nun, sich mit dieser Dokumentation zur Entstehung der Platte noch tiefer in die Materie fallen zu lassen.
Musik und Texte spiegeln im Grunde genommen zwei Themen wider, den psychischen Niedergang des ehemals tonangebenden Syd Barrett (vornehmlich im unkaputtbaren „Shine On You Crazy Diamond“) sowie das marode System, wobei sich FLOYD nach zermürbenden Konzertreisen und prosaischen Business-Nebensächlichkeiten in erster Linie auf den Musikbetrieb bezogen. Spannungen machen „Wish You Were Here“ auch auf anderen Ebenen aus, etwa wenn es um die Songauswahl ging, bei welcher sich Waters und Gilmour in die Haare bekamen.
Was nun bietet diese überwiegend aus Interviews bestehende Nachlese? Das abendfüllende Programm zeichnet im bemessenen Tempo, also passend unspektakulär und aufs Wesentliche beschränkt nach, wie „Wish You Were Here“ zu dem wurde, was es heute noch ist – eine Blaupause für zahllose Inspirierte wie plumpe Nachahmer. Die Dichotomie zwischen epischer Breite und großen Gesten einer- sowie scheinbar Trivialem („Have A Cigar“) im kompakten Format andererseits lässt sich in den Verhören auch auf die Bandmitglieder übertragen: Während sich Gilmour gewohnt ungern in die emotionalen Karten schauen lässt – dies darf man durch seine Musik, zumindest spekulativ, weshalb er auch hier nicht selten zur Klampfe greift, statt zu sprechen –, erweist sich Rogers wieder einmal als aufgewühlter, anhaltend sensibler Künstler im wahrsten Sinn des Wortes.
Regisseur John Edginton durchschaut die beteiligten Charaktere und bürstet seine Arbeit nach ihnen, wobei er auch Nebenschauplätze und deren Darsteller (Engineer Brian Humphries) einbezieht. Ansonsten zieht er erfrischend wenig angestaubtes Bildmaterial heran, etwa aus den psych-poppigen Sixties, und schafft es sogar, den Humor der Musiker zu unterstreichen, der wohl von jeher unterschätzt oder gern übergangen wird. Eagle schenken dem Käufer alle geläufigen Klangvarianten und eine ansprechende Bildqualität wie Menüführung nebst Untertiteln, weshalb sich die DVD (oder Blue-ray) mit 25 Minuten ungesehener Archiv-Ausschnitte geradezu aufdrängt, um Geschichtsunterricht in Sachen Prog nachzuholen.
FAZIT: „The Story Of Wish You Were Here“ ist keine der vielen Fließband-Pseu-Dokus, sondern schürft tief und vermittelt tatsächlich Inhalte, die den Betrachter – so sollte es im Idealfall stets sein – dazu verleiten, die behandelten Songs zum x-ten Mal zu hören, eventuell sogar neu zu entdecken.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 13.07.2012
Roger Waters
Roger Waters, David Gilmour
David Gilmour
Richard Wright
Nick Mason
Eagle Vision
ca. 85 Minuten
29.06.2012