Einen herzlichen Glückwunsch an die polnische Band QUIDAM!
Es ist wirklich mutig, nachdem man die letzten Alben allesamt in englischer Sprache eingesungen hat, sich endlich wieder seiner Muttersprache zu besinnen.
„Saiko“ beweist, dass genauso wie die englische auch die polnische Sprache im progressiven Rock der Neuzeit, den man mal New Artrock, mal Neo Prog oder auch sonstwie nennt, funktioniert. Endlich setzt eine „jüngere“ Prog-Band aus Polen genau das fort, wofür man bei NIEMEN oder SBB besonders stolz war – die Mu-Mu-Kombination (Mu/ttersprache und Mu/sik!). Da sollten sich RIVERSIDE ruhig mal ein Beispiel dran nehmen.
Ziemlich blöd allerdings ist es, wenn ich als Kritiker hier mit einer Papp-Promo abgefrühstückt werde, der ein Zettel beiliegt, aus dem ich erfahren darf, dass die CD wundervoll verpackt und gestaltet sein soll sowie die polnischen Texte samt englischer Übersetzung enthalten sind. Schönen Dank auch für die Information – ich sitze darum hier wie ein Bekloppter vor meiner Tastatur und grübele darüber nach, worum es denn in den Texten gehen könnte. Für mich zumindest sind die Texte des Gesamteindrucks wegen immer wichtig gewesen. So kann ich zum Inhalt nur sagen, dass es ein ziemlich tierisches Album sein muss – bei diesem lieben, ein wenig an Fettleibigkeit leidenden Hündchen auf dem Cover. Wenigstens die Songtitel sind übersetzt und so lässt sich vermuten, dass es sich auf „Saiko“ um die Jahreszeiten dreht. Vielen Dank also noch einmal für diese aufschlussreiche Informationspolitik von Seiten der Band.
Musikalisch bleibt anfangs alles beim Alten.
QUIDAM kombinieren geschickt den progressiven Rock mit Flöten und vereinen eine Vielzahl von elektronischen Instrumenten mit akustischen Piano- und Gitarrenlinien. Auch schrecken sie nicht davor zurück, es mal ordentlich krachen („Ostatecznie“) oder, bis hin zu einem leichten Schmalzfaktor, wundervoll gefühlsschwangere Balladen („sPotykanie“) erklingen zu lassen. Sogar ein Duett mit der wundervollen polnischen Sängerin NATALIA GROSIAK hat sich auf dem Hunde-Album eingeschlichen – doch warum sie unbedingt ihren Part in englischer Sprache einsingen musste, bleibt mir zumindest schleierhaft. Die Super-Stimme entschädigt allerdings für diesen Fauxpas.
Aber es werden auch neue Türen aufgestoßen.
Denn während man den Polen in den vorangegangenen Alben oft eine zu starke PORCUPINE TREE-Schlagseite zum Vorwurf machte, scheinen sie sich nun nicht nur durch den polnischen Gesang, sondern auch durch eine Umstellung ihrer Musikeinflüsse, von dieser Bindung zu befreien. Psychedelische und jazzige Elemente („...Przedwiosnie“) finden sich auf „Saiko“ genauso wieder wie ein sich oftmals angenehm in den Vordergrund spielendes Schlagzeug. VAN DER GRAAF GENERATOR können einem da schon mal in den Sinn kommen, vielleicht auch GONG. Oder eben doch die legendären Landsleute von SBB! Mein zweiter Glückwunsch zu dieser doch recht gewagten Entscheidung.
Und über alledem thront (wie immer) die wunderbare Flöte, die sich mal erwartet, mal völlig unerwartet auf fast jedem Titel Gehör verschafft. Sie ist ein echtes Markenzeichen der Polen geworden und ein Album von QUIDAM ohne Flöte ist unvorstellbarer als ein Album von ihnen ohne Gesang.
FAZIT: Die polnische Band QUIDAM beschreitet neue Wege und bleibt sich trotzdem treu. Endlich singen sie wieder in ihrer Muttersprache und endlich sind sie mutiger beim Experimentieren in den vielfältigen Sparten des Progs geworden.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 27.05.2012
Mariusz Ziolkowski
Bartosz Kossowicz
Maciej Meller
Zbigniew Florek
Maciej Wroblewski
Jacek Prinzip (Flöten & Saxofon), Natalia Grosiak (Gesang), Robert Szydlo (Bass & Gitarre), Witek Dobaczewski (Lo-Fi-Mundharmonika)
Rock-Serwis / Just For Kicks
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30.04.2012