Unter den Bergen also liegt die behagliche kleine Folknische, die sich die junge Sängerin Rachel Sermanni erträumt und mit ihrem Debütalbum endgültig in die Realität umgesetzt hat. Klanglich hat die erst 20-jährige mit ihrem achtköpfigen Begleitensemble dieses Bild passend interpretiert. „Under Mountains“ hat mit dem direkten, intimen Sound mit Klavier, Geigen und Kontrabass viel mit der Wohnzimmeratmosphäre von STINGs „If On A Winter's Night“ gemeinsam. Die Musik von Rachel Sermanni geht jedoch weit über diesen Rahmen hinaus.
Die zwölf Titel schlagen allesamt leise Töne an, oft mit einem nachdenklichen, teils melancholischen Unterton, ohne dabei leidend zu klingen. Das Nonett agiert mit einer Vielzahl an Auftritten im Rücken eingespielt und harmonisch. Sermanni klingt dabei nicht besonders eindringlich, noch spektakulär, aber vielleicht deshalb auch sehr angenehm. Es scheint immer ein Seidentuch über ihrer Stimme zu schweben, die ihre vertonten Traumtexte noch ein wenig surrealer wirken lässt. Dennoch haucht oder piepst sie nicht, sondern erzählt, als säße man morgens mit ihr am Frühstückstisch. Ähnlichkeiten mit Alanis Morissette in deren ruhigen Momenten sind da auszumachen.
So ist es die Musik und deren Interpretation, die Rachel Sermannis Nische unter den Bergen unverwechselbar machen. Gerade in der ersten Hälfte des Albums finden sich viele Harmonien, die offenbar nicht aus dem allgemeinen Songwriter-Handbuch, sondern aus Sermannis schottischer Heimat stammen. Das gibt den Songs einen herben Touch, der sie vor Weinerlichkeit und ähnlichen Genregebrechen rettet. Dieser Stilart ordnen sich auch Streicher und Percussion unter und musizieren ausgefeilt, ohne sich zu verkünsteln. Die netten kleinen Effekte und mehrstimmigen Gesangslinien zitieren einmal mehr STINGs akustische Ausflüge, THE CORRS und auch die BEATLES. Anspieltipps sind das wellenartig pulsierende, mit kühler Stimme vorgetragene „Sea Oh See“ und das mit einem überraschenden Mittelteil aufwartende „The Fog“. Daneben sorgt der soulige Walzer (!) „Bones“ für Abwechslung.
Fehlen diese Erkennungsmerkmale, wird Rachel Sermanni schnell zu einer von vielen. In „Marshmallow Unicorn“ beispielsweise schlägt sie sanfte Country-Töne an und zieht hier mangels Wärme in der Stimme und zu glattem Songaufbau gegenüber der amerikanischen Konkurrenz den Kürzeren.
Abgesehen davon kann Rachel Sermanni aber durchgehend mit ihren Texten punkten. Es ist eine einfache, erzählende Poesie, die trotzdem wortgewandt verfasst ist. Auf große Weisheiten verzichtet sie klugerweise, dafür bleiben die Inhalte persönlich.
FAZIT: Angenehmer Folk Pop mit besonderer Note, der nicht unter den Bergen gefangen ist, sondern sich hervorragend als Begleitmusik für Reisen jeglicher Art eignet. Sollte es Rachel Sermanni gelingen, die Elemente von „Under Mountains“ weiter zu verfeinern, wird sie wohl recht bald aus dem Schatten ihrer zahlreichen Kollegen heraustreten, für die sie bisher eröffnet hat.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 20.10.2012
Joe Rattray
Rachel Sermanni
Leo Forde
Jennifer Austin, Siobhan Anderson, Louise Bichan, Laura Wilkie, Lious Linklater Abbott, Phil Hague
Middle Of Nowhere Records
44:25
21.09.2012