Es wird langsam, aber immer sicherer eine wahre Leidenschaft von mir, mich mit der finnischen Musik-Szene auseinanderzusetzen. Ist das ein Wunder, wenn die Tochter genau in dem Land lebt, das sich durch weite Landschaften, sentimental-düstere Natürlichkeit und ein Lebensgefühl, welches immer wieder von tiefer Melancholie geprägt wird, auszeichnet?
Da stolpert man sogar über Jazz-Musik, die mit Orgeln, Kontrabässen, Trompeten, Akkordeon, Saxofon und Schlagzeug genau diese Stimmungen zum Ausdruck bringt.
Willkommen also im Jazz-Gefilde von RAKKA!
Hier dürfen durchaus Erinnerungen an einen LOUIS ARMSTRONG, der mit MILES DAVIS liebäugelt, genauso wiederbelebt werden wie an den von uns wohl bekannten KLAUS DOLDINGER! Aber eben alles in einem sehr zurückhaltenden, etwas verträumt wirkenden Nordic-Style.
Wie das klingt?
In etwa so:
Eine Orgel untermalt hintergründig verträumte Trompeten-Solis, die sich mal dezent, aber auch dominant ihre Berechtigung erkämpfen. Dazu gibt’s eine gehörige weltmusikalische Prise, die besonders durch grundierende Schlaginstrumente zum Ausdruck gebracht werden. Bereits der Ritt auf Don Quichottes „Rosinante“ lässt uns in gleichmäßigem Rhythmus den Windmühlenflügeln entgegentraben. Eine Trompete befreit sich nach drei Minuten aus diesem Rhythmus-Gefüge und bringt so einiges durcheinander. Denn auch die Orgel will etwas ausbrechen, gemeinsam mit dem Saxofon. Nur die Percussion halten ordentlich Schritt – Rosinante weiß eben, wo es lang geht, ganz im Gegensatz zu ihrem Reiter, der mit vorgehaltener Bläser-Lanze das Tempo zu erhöhen versucht.
RAKKAs Jazz verleitet zum Mitwippen, aber auch zum Zuhören, was besonders an dem komplexen Zusammenspiel zwischen JYKÄ AHOLAs Trompete und KUSTI VUORINENs Orgel liegt, die der Rhythmus-Fraktion aus Schlagzeug, Percussion und Double-Bass verträumte, aber auch frei improvisierte Farbtupfer verleihen. Ich persönlich liebe ganz speziell die Orgel auf dieser CD, die zum Glück unendlich viele Momente auf „Soutu“ erklingen darf, was bestimmt auch daran liegt, dass der Mann hinter den Tasten, Kusti Vuorinen, die meisten Kompositionen auf diesem „Album der Ruhe“ beigesteuert hat.
Auf dem Titelsong darf dann ein Akkordeon seine ganze Schönheit entfalten und mit etwas Rumba und Täterä alle Freunde der Seefahrt glücklich machen. Nur Vorsicht, in den unendlichen Tiefen des Meeres lauert bereits der Trompeten-Hai.
Überhaupt beweisen RAKKA von Stück zu Stück, dass sie die Kunst beherrschen, eine relativ getragene, melancholische, ruhige Grundstimmung immer wieder anders klingen zu lassen. Impulse zu setzen, die zwar Besinnlichkeit ausstrahlen, aber auf ständig unterschiedlichen Ebenen. Das liegt nicht nur an der Vielzahl der eingesetzten Instrumente, sondern den geschickten Stil-Wechseln. „Try Not“ erinnert beispielsweise an BOOKER T. & THE M.G.'s, die mit „Green Onions“ Musik-Geschichte schrieben, während „Laululintu“ dem Free-Jazz huldigt oder „Autuaita Ovat Autuaat“ etwas von einem Hochzeits-Marsch in sich trägt, der mit der blues-jazzigen „Route 325“ ein beinahe irre zu nennendes 60er-Jahre-Gefühl wiederbelebt, das uns durch die herrlichen Orgel-Passagen eingehaucht wird. Am Ende bleibt nur noch der Wunsch nach ein paar Momenten, die uns während dieser guten Dreiviertelstunde gerne mal aus der Ruhe bringen könnten!
FAZIT: Jazz, nicht von dieser Welt – aber aus Finnland!
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 02.11.2012
Ville Rauhala
Kusti Vuorinen
Janne Tuomi
Masa Orpana (Tenor Saxofon, Flöte), Jykä Ahola (Trompete, Flügelhorn), Kusti Vuorinen (Akkordeon, Percussion), Simo Laihonen (Percussion)
Nordic Notes/Beste! Unterhaltung
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05.10.2012