Im Musikunterricht lernt man, dass das Intervall der übermäßigen Sekunde der harmonischen Molltonleiter einen für unsere Ohren arabischen Charakter verlieht. SARATAN haben ihrem Lehrer offenbar besonders aufmerksam zugehört, denn sie reizen dieses Klischee schon beim Intro „Taj-e Sahra“ mit allerlei oudähnlichem Saitenklang gehörig aus. Dass sich die Authentizität der nahöstlichen Einflüsse in Grenzen hält, ist nicht verwunderlich – SARATAN sind im polnischen Krakau zu Hause. Abgesehen von Oriental Metal-Anspielungen in Musik und Titelnamen (SARATAN ist das arabische Wort für „Krebs“), stammt das große Vorbild des Trios aus dem Westen. Kurz: SARATAN sind eine Ost-Ausgabe von SOULFLY mit höherem Death Metal-Anteil. Wer EKTOMORF kritisch gegenübersteht, der könnte auch dieser Truppe gar eine böse Kopistenabsicht unterstellen.
Immerhin stimmt das Energielevel der Polen bei Tracks wie „Mastema“ oder „God That Disappears“, die von V. Santura (DARK FORTRESS) druckvoll in Szene gesetzt wurden. Blastbeats und häufiger Doublebasseinsatz machen „Martya Xwar“ auf jeden Fall zum schlagkräftigsten Album der Bandgeschichte. Die Soloparts in „Verminous Disease“ erinnern gar an eine Light-Version von NILE. Wenig reißen kann dagegen Jarek Niemec mit seiner eindimensionalen Max Cavalera für Arme-Performance. Auch die rhythmischen Finessen der Brasilianer fehlen auf „Martya Xwar“.
Die eingangs erwähnten Soundspielereien waren so ebenfalls noch nicht bei SARATAN zu finden. Unter Metalbands sorgt das schon einmal für mehr Wiedererkennungswert, die Qualität dieser Passagen schwankt allerdings erheblich. Ein Lauteninstrument und eine textlose Backgroundsängerin machen längst noch keine babylonische Hofkapelle. „Taj-e Sahra“ und „Asmodea“ eignen sich eher als Soundtrack für ein Abenteuer-B-Movie über Grabräuber in einem Mayatempel. Keyboard- und Effektsounds haben natürlich noch weniger folkloristischen Bezug, doch erfolgt ihr Einsatz wesentlich gelungener. Bei „Ba'al Zevuv“ muss man wieder an einen Soundtrack denken, ein überzeugender Refrain und fast schon Black Metal-Stimmung im Zwischenteil sorgen für angenehm gruseliges Kopfkino.
Das langsame und überlange „Silent Sound Of Mourning“ dagegen fällt aufgrund des Alternative-Genöles der Gitarren und eines völlig planlosen Klaviereinschubs ohne thematische Verbindung zum Rest der Scheibe durch.
FAZIT: Wenn sich SARATAN darauf konzentrieren, ihre angeschrägten Riffs mit Sandsturmpower durch die Wüste zu blasen, agieren sie locker im zweistelligen Bewertungsbereich. Leider enthält „Martya Xwar“ zu viele mehr oder weniger ambitionierte Spielereien, die qualitativ nicht mit den Großen mithalten können. Für Ethno Thrash-Fans dennoch einen Versuch wert.
Punkte: 8/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 12.11.2012
Jarek Niemiec
Jarek Niemiec
Adam Augusty?ski
Micha? Stefa?ski
Massacre Records
36:59
23.11.2012