Nachdem nur der Fan-Club von SAXON in den Genuss von „Heavy Metal Thunder - The Movie kam, dürfen nun auch die übrige Metal-Welt sowie verirrte Wacken-im-Nachtprogramm-Gucker die Dokumentation sehen, wahlweise auf DVD oder Blu-ray. Abgehandelt werden vor allem die frühen Jahre der Band, wohingegen zum Ende hin der Eindruck entsteht, die Zeit werde den Machen knapp. Nun gut, andererseits dokumentieren nicht zuletzt Hübner und Co. den aktuellen Werdegang der Briten mehr oder weniger erschöpfend.
Den Machern zufolge handelte es sich um eine schonungslose Aufarbeitung der Bandgeschichte, weil auch Ex-Mitglieder ihre Ansichten schildern. Pete Gill allein schweigt unversöhnlich aber speziell die Beiträge von Dawson und Oliver erweisen sich als interessant. Dass die beiden vielleicht nicht einmal völlig vermessen ein Stück vom Kuchen haben möchten und am Ende auf eine Reunion spekulieren, ist begreifbar. Rührend auch: Der Gitarrist bricht fast in Tränen aus, als er sich daran erinnert, wie Paul Quinn – der sich im Übrigen noch einmal nachdrücklich als musikalischer Kopf von SAXON entpuppt – ihm das Spielen nach einem Unfall mit seiner Greifhand (Oliver fehlt ein Fingerglied) neu beibrachte.
Die einzelnen Abschnitte der Karriere der Band werden mit jeweils passenden Live-Szenen untermalt, die Ursprünge der Band erwartbar zutage gefördert: Yorkshire in den Siebzigern, harte Brote zu kauen (Fronter Biff begann als Grubenarbeiter und wurde bereits mit 17 Vater), live an jeder Steckdose spielen, und dann der Deal mit Carrere-Deal … SAXON erfuhren ihren Ruhm insbesondere in den Staaten, wohin die notorischen Teetrinker auf Tour Lastwagen voller Beutel zum Wasser-Einfärben importieren ließen, dank harter Arbeit und Leidenschaft, was wahrlich keine Floskeln sind – genauso wenig wie die Schattenseiten unter den Tisch gekehrt werden, nicht zuletzt sexuelle Eskapaden (welchen man eben nicht immer Heiterkeit abgewinnen kann) und Teufel Kokain.
Einblicke von außen legen unter anderem die Berufs-Comicfigur Lars Ulrich (im Budgie-Shirt) und Giftmüll-Fabrik Lemmy dar, mit dem SAXON bekanntermaßen eine Menge verbindet. Die herrlichen Akzente der Protagonisten – sogar der Moderator aus dem Off knödelt richtig derbe und faselt von einem Ersatzdrummer George Michael von Stratovarius – setzen dem unverkrampft authentischen Doppeldecker eine Sahnehaube auf.
Im Bonusteil reift nach einigen Lachern über die üblichen Modeverbrechen die Erkenntnis, dass SAXON bereits zu Anfang eine sehr starke Live-Band waren (und sich mit Metallica aufgrund eines Ventilators in die Wolle bekamen), später verjüngt durch Basser Nibbs und Nigel Glockner beziehungsweise Fritz Randow sowie Ruhepol Doug Scarratt. Die Englishmen gehören zur Geschichte des Heavy Metal, erweisen sich als glaubwürdige Realisten und Image-freie Musiker, sind also im besten Sinn am Boden geblieben.
FAZIT: „Heavy Metal Thunder“ bietet viel Film fürs Geld und lässt allenthalben am Ende der ansonsten erschöpfenden Darlegung von SAXONs Historie zu wünschen übrig, was die liebevollen Details betrifft. Hinsichtlich der Umsetzung und des Bonusmaterials gibt es wahrlich keinen Grund zur Klage, weshalb all jene, die als Fanclub-Mitglieder noch nicht in den Genuss kamen, zugreifen dürfen. Gesehen haben sollte man das Ding als Metal-Interessent so oder so mindestens einmal.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 03.12.2012
EMI
122:23 (Hauptfilm)
07.12.2012