Nach "The Carrere Years (1979-1984)" sind nun "The EMI Years (1985-1988)" dran. Brachten SAXON unter Carrere ihre wohl besten Werke heraus, waren die drei Studioalben bei EMI eher umstritten. Auf "Innocence Is No Excuse", "Rock The Nations" und "Destiny" entfernten sich die Briten vom knackigen Heavy Metal und wandten sich mehr dem Hard Rock zu, der mitunter sogar leicht in Richtung Mainstream tendierte. Offenbar keimte bei SAXON zu der Zeit der Wunsch nach noch mehr Kommerzialität auf, und dieser Stilwechsel vergraulte auch viele alte Fans.
Aber waren die Alben deshalb alle komplett schlecht? Nein, keineswegs. SAXON bewahrten sich ihr Songwritinghändchen auch in dieser "softeren" Ausrichtung. Besonders "Innocence Is No Excuse" hat viele gute Stücke zu bieten, wie "Rockin' Again", "Back On The Streets" und "Rock 'n' Roll Gypsy" oder die schön epischen "Call Of The Wild" und "Broken Heroes". Die Edition deses Bundles kommt außerdem mit vier Bonus-Tracks: dem 12" Club Mix von "Back On The Streets", den beiden B-Side-Stücken "Live Fast Die Young" und "Krakatoa" sowie der Live-B-Side "The Medley".
Die mehr zum Hard Rock tendierende Linie wird auf "Rock The Nations" weitergeführt. Gute Songs finden sich auch hier wie der Titeltrack, das emotionalere "Waiting For The Night", "We Came Here To Rock" oder "Northern Lady". Aber es schleichen sich mit "You Ain't No Angel" und "Party 'Til You Puke" auch schwächere Stücke ein. Die Songwritingqualität war insgesamt nicht so hoch wie auf dem Vorgänger. Gleich fünf Bonus-Tracks finden sich auf "Rock The Nations", bestehend aus B-Sides, 7"-Single-Edits und Live Songs.
"Destiny" legt in Sachen kompositorischer Qualität gegenüber "Rock The Nations" wieder zu. "Ride Like The Wind", "Calm Before The Storm", "SOS" und "Red Alert" sind die Highlights des Albums, während wirkliche Ausfälle gleichzeitig ausbleiben. Zugegebenermaßen sind die Stücke teilweise noch softer ausgefallen, teilweise eher Arena-Rock, aber als gut kann man sie dennoch bezeichnen. Auch "Destiny" bekommt in diesem Bundle noch vier Bonus Tracks spendiert.
Im Grunde umrahmen bei diesen drei Studioalben zwei kompositorisch insgesamt schon gelungene Werke eines, das man als bodenständig bezeichnen kann. Wen die hardrockige Ausrichtung nicht stört, findet hier durchaus auch gutes Songmaterial vor.
Um auch den Leuten, die eh schon die meisten Studioalben ihr eigen nennen, noch einen Kaufanreiz zu bieten, kommt als vierter Rundling bei "The EMI Years (1985-1988)" noch das Werk "Live At Hammersmith (1985)" mit. Dieses ist bisher unveröffentlicht (bis auf den ersten Song, der als Bonus auf "Destiny" mit dabei ist) und dürfte somit sogar für die Jäger und Sammler interessant sein. SAXON präsentieren sich bei diesem Auftritt in der altehrwürdigen Konzerthall in London in Bestform. Biff interagiert hervorragend mit der Menge, die Songauswahl ist – unter Berücksichtigung, dass "Innocent Is No Excuse" zu dem Konzertzeitpunkt das aktuelle Studioalbum war – insgesamt gelungen, und der Sound ist auch schön authentisch und roh belassen, wodurch manche Stücke nochmal eine ganz andere Dynamik bekommen. Für Fans der NWoBHM und der frühen Alben dürfte "The Eagle Has Landed" von 1982 zwar einen Ticken geeigneter sein, aber auch "Live At Hammersmith (1985)" ist ein wirklich guter Live-Mitschnitt.
FAZIT: Neueinsteiger in Sachen SAXON können sich hier auf relativ günstigem Wege mit der früheren EMI-Zeit der Briten – ich bezeichne sie auch als SAXONs Hardrock-Zeit – vertraut machen. Für die Metal-Fans waren die Jahre '85 bis '88 wahrscheinlich mit der Tiefpunkt der Band, dennoch hat man es hier keineswegs mit schlechten Alben zu tun – sie waren eben einfach anders – weniger Metal. Zudem wartet diese Compilation durch "Live At Hammersmith (1985)" noch mit einem kleinen schmankerl auf, das man bislang nicht im Plattenladen vorfand. Wer SAXONs Mitt- bis Spätachtziger-Zeit nicht komplett verflucht, darf auf The EMI Years (1985-1988)" ruhig mal ein Auge werfen. Und mal schauen, ob wir uns nicht bald über die "Virgin-Years" freuen dürfen.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 07.07.2012
Steve Dawson
Biff Byford
Graham Oliver, Paul Quinn
Stephen Lans-Clifford
Nigel Glockler, Nigel Durham
EMI
263 min.
08.06.2012