Wer nicht nach fünf Sekunden Spielzeit des zweiten Albums dieser Österreicher an eine Band aus Skandinavien denkt (deren Namen die Jungs ungern genannt sehen möchten), hat die jüngere Prog-Geschichte verschlafen, doch was SECOND RELATION im weiteren Verlauf dieser in drei Kapitel unterteilten Konzept-Geschichte auf die Ohren geben, zeugt bei aller Referenzfreudigkeit von um Originalität bemühten Musikern, die ihr Metier gerne als Kunst betrachten dürfen.
Das Quintett spielt Progressive Rock mit jugendlicher Frische und vielen Anklängen beim guten Alten, gleich zu Beginn etwa in Form ewig geschätzter Hammond-Sounds. Sänger Bastian intoniert zartfühlend, vergisst aber nie die Wichtigkeit von Hooks, an welchen es seinen Freunden an den Gitarren ebenso wenig zu mangeln scheint. Das schwebende „Frightening Silhouettes“ erinnert dank seines mehrstimmigen Arrangements an SUBSIGNAL, eine ähnlich herzlich und entspannt proggende Combo. Die über sieben Minuten entspinnen sich so fließend, dass man die rhythmischen Haken kaum wahrnimmt, die SECOND RELATION andauernd schlagen.
Wenn sie dies tun, dann muss es sein, um eine Komposition zum Erfolg zu führen, aber nicht zum Selbstzweck. Die Gruppe zeichnet dadurch und mit ihrem intuitiven Verständnis für schöne Melodien vielfältige Stimmungsbilder, sei es feierlich aufrüttelnd während „In The Night“, zuerst gerührt und dann naseweis in „Velvet And Silk“ oder einmal quer durch den Garten von PAIN OF SALVATION wie im Herzstück „Impulse Against Separation“. Mit den Schweden eint SECOND RELATION nicht der Stil an sich (auf einen einzigen legt man sich in Eskiltuna ohnehin nicht fest), sondern die Intelligenz, mit welcher man verinnerlichte Musikgeschichte aufs eigene Befinden münzt und nach außen kehrt.
Das metallischte Stück „And In The End ...“ mausert sich kurzerhand zu einem der besten Genre-Stücke des Jahres und wäre in dieser Form tatsächlich aus der Feder von Mikael Åkerfeldt denkbar, so dieser nicht hoffnungslos dem überheblichen Zynismus verfallen wäre. Klingt „... All Of Us Will Be Identic.“ danach nur wie ein retardierendes Moment des Vorigen von stagnierender Intensität, ist das Endstück „Window“ wieder ein großer Wurf: Wer als Freund von Gitarrenmusik, die nur ein wenig über den kleinsten gemein-armen Nenner hinausreicht, nichts mit diesem vorne bis hinten stimmigen und einfühlsamen Lied (darf man so nennen, ja) anfangen kann, ist vollends von Posen und Images zum optisch hörigen Lamm konditioniert worden.
FAZIT: Für eine Newcomer-Band musizieren SECOND RELATION auf schwindelerregend hohem Level zwischen alter Tugend und zeitgenössischer Relevanz. Man fühlt sich an das Hereinplatzen von DARK SUNS seinerzeit erinnert, bloß dass die Schweizer dem jetzigen Sound der Leipziger schon mit diesem Zweitwerk nahekommen. Größter Hoffnungsträger 2013? Aber hallo.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 06.12.2012
Bastian B. Berchtold
Bastian B. Berchtold
Simon Gstöhl, Julian Nachbauer
Daniel Fleps
Michael Simic
Eigenvertrieb
58:07
12.10.2012