Dieses Album des aufstrebenden türkischen Gitarristen Selim Işık wurde bereits 2005 veröffentlicht, doch neuerdings macht der Mann mit der klassischen Metal-Band 80 KALIBRE von sich reden, deren erste Höreindrücke Ansprechendes erwarten lassen. Widmen wir uns bis auf weiteres den früheren Gehversuchen des Musikers, die vor allem rockig und verhalten prog-metallisch sind, wobei die Herkunft des Mannes nicht zuletzt wegen des muttersprachlichen Gesangs offensichtlich ist.
Das Intro geht noch als DREAM THEATER light (Neunziger-Phase) mit orientalischem Klangkolorit durch, doch der eigentliche Opener zeigt daraufhin, woher der Hase auf „ Yazgı“ (Schicksal) tatsächlich läuft: Işık bemüht sich, stimmungsvolle Songs zu schreiben, statt virtuos abzufeuern, und lässt sich entsprechend Zeit zur Entfaltung seiner Ideen. Harte Riffs und unverzerrte Gitarren dringen auch im weiteren Verlauf zu gleichen Teilen aus den Boxen, wobei der Sound eingedenk des knarzenden Basses recht druckvoll ist, bloß hat der Macher die Drums programmiert, was naturgemäß mangels Erfahrung etwas statisch tönt. Ferner dürfte seine Stimme Geschmackssache bleiben, wenngleich sie zu den melancholischen Stücken („Sükun“, „Hayallerin Çocuğu“, „Yaşamdan Yana“ – mit das packendste der Scheibe) passt; nur im schrofferen „Bilinmez“ gibt er eine weniger gute Figur ab, wobei auch der leiernde Duktus charakteristisch anmutet, so man sich die Wurzeln des Mannes vergegenwärtigt.
Folgen die Kompositionen zwar einer klaren Linie, sind trotzdem Längen auszumachen, wenn Selim zu selbstverliebt, aber unspektakulär auf Ideen herumreitet, vor allem im Instrumental „Derin“. Aufhorchen lassen aber das abwechslungsreiche „Ben Kendimden Yoruldum“ sowie die beiden von Musikerfreund Sadi Baydar (Selim unterhält ein weites Netzwerk und spielte bereits mehrere Sessions) gesungenen Stücke, der Titeltrack und das finale „Dağlar“. Ein neuer Song namens „Çizgi“, der gratis als Single (diesmal mit voller Band und auf einschlägigen Videokanälen zu sehen) veröffentlicht wurde, in Sachen Rhythmus organischer klingt und markantere Melodien aufweist, deutet darauf hin, dass man bald mehr von Selim hören wird. Wer sich einen Eindruck von der türkischen Metal-Szene abseits von MEZARKABUL machen will, darf hier schnuppern und die besagten 80 KALIBRE ins Auge fassen.
FAZIT: Selim Işık spielt auf seinem Solo-Debüt eine Mischung aus Rock und leicht progressivem Metal traditioneller Art mit einem Fokus auf nicht zwangsläufig exotisch anmutenden Melodien, wobei die Songs nicht durchweg überzeugen. Lust auf mehr macht die Scheibe aber dennoch.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 27.06.2012
Selim Işık, Umut Yenilmez
Sadi Baydar, Selim Işık
Selim Işık
Eigenvertrieb
42:45
09.12.2009