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The Seven Seals: Deutsche Welle 2.0

Stil: Verbrechen an der NDW

Cover: The Seven Seals: Deutsche Welle 2.0

Coveralben sind, gerade wenn es darum geht, sie in einem völlig anderen Stil zu präsentieren, eine unterhaltsame oder spannende Sache, und in der Vergangenheit gab es da einige Highlights. ABBA auf Metal, METALLICA auf Bluegrass, IRON MAIDEN auf indisch, SEX PISTOLS mit Irish-Folk-Kante und, und, und.

Als Ü30/F40-Musikfan (das „F“ steht für „fast“), der die Neue Deutsche Welle hautnah miterlebt und -geliebt hat, war die Neugier groß, was THE SEVEN SEALS-Boss Martin von Auen hier mit zahlreichen lebenden NDW-Legenden aus Stücken wie „Rock Me Amadeus“, „Knutschfleck“, „Hohe Berge“, „Sternenhimmel“ und „Herbergsvater“ hat werden lassen. Und das Ergebnis veranlasst des Rezensenten Gehirnzellen, spontane suizidale Handlungen durchzuführen. Was bei den drei JOACHIM WITT-Songs anhand dessen späterer Neue-Deutsche-Härte-Affinität noch halbwegs funktioniert, geht bei den anderen Nummern, die zu einem großen Teil mit den Originalkünstlern aufgenommen wurde, gnadenlos in die Hose und trieft bis in die Schuhe, durchnässt die Socken, begleitet jeden Schritt mit einem fäkalen Schmatz.

Aus HUBERT KAHs „Sternenhimmel“ wurde ein substanzloser Metalgroover mit pathetischem Gothicflair und Pseudodüsternis, und auch Meister Kah selbst trällert seinen Hit erschreckend leidenschaftsarm und säuselig ins Mikro, sodass man statt den Sternen nur eine suppige Wolkendecke zu sehen bekommt, so dass der Duft des musikalischen Ackerdungs durch den Luftdruck in Bodennähe bleibt. Aus FRL. MENKES „Hohe Berge“ wird ein banaler Elektrorock-Stampfer, der sich anhört, als ob die späten Billig-OOMPH! ihren Sänger Dero geschasst haben und nun ersatzweise die ab und an in der Kirmesband singende Managerin ans Mikro gestellt haben.

Bitter, richtig bitter wird es bei IXIs „Knutschfleck“, der im neuen Gewand einen hässlichen Rand schwarzen Lippenstifts und sabbrigen Kunstblutes sowie Abdrücke eines Plastik-Vampirgebisses um sich herum wähnt. Ja scheiß doch auf die Harmonien, machen wir aus Dur einfach Moll, Hauptsache dark, evil, schwarzkittelig, hier noch einen Dengdengdeng-Riff, fertig. Dazu singt Frau IXI in etwa so enthusiastisch und gefühlvoll wie eine Werbejinglechanteuse. Doch der Abgrund reicht noch tiefer. Man stelle sich bei „Rock Me Amadeus“ ein gigantisches Gemächt vor, dass flutartig Urin über FALCOs Grab schwappen lässt, sodass die Überreste des Österreichers aus einsachtzig Tiefe nach oben springen und rachsüchtig in Richtung Martin von Auen marschieren.

PASO DOBLEs „Computerliebe“ wird mit der Brechstange zum Metalkracher umgemodelt, was in etwa so glaubwürdig rüberkommt, als ob Reinhold Beckmann sich tätowieren ließe und fortan nur noch in Metalshirt und Jeanskutte durch die Gegend liefe, immer pommesgabelreckend ein „Mettöl“ auf den Lippen. DAT BIENSCHEN, die wie ein stimmlicher Klon von NENA klingt, lässt das kitschig-schmalzige MARKUS-Stück „Kleine Taschenlampe brenn“" zusammen mit von Auen wie eine Discountversion von RAMMSTEIN meets BLUTENGEL tönen, was den Fremdschamfaktor in schwindelerregende Höhen schnellen lässt. Tja, und da sind wir tatsächlich erst halb durch mit diesem Exzerpt des Elends, denn es gilt noch COMBO COLOSSALEs „Puppen weinen nicht“ (Modern Metal von der Grabbelkiste), JOACHIM WITTs „Kosmetik“, UKWs „Ich will“ und so manch anderen liebgewonnenen Hit in neuen, gewaltsam übergestülpten Gewandern zu ertragen.

FAZIT: Gothic, EBM, Alternative, Metal, NDH und was auch immer auf "Deutsche Welle 2.0" als Stilmittel eingesetzt wird, in allen Ehren, aber wenn man von allem nur den Bodensatz verwertet, ist es kaum verwunderlich, dass das Ergebnis auch ebensolcher ist. Besäße ich einen musikalischen Giftschrank, würde ich diese CD einschließen und den Schrank versiegeln. Siebenfach.

Punkte: 1/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 05.04.2012

Tracklist

  1. Sternenhimmel (HUBERT KAH, feat. Hubert Kah)
  2. Hohe Berge (FRL. MENKE, feat. Frl. Menke)
  3. Herbergsvater (JOACHIM WITT)
  4. Knutschfleck (IXI, feat. Ixi)
  5. Rock Me Amadeus (FALCO)
  6. Computerliebe (PASO DOBLE, feat. Paso Doble)
  7. Kleine Taschenlampe brenn‘ (MARKUS, feat. Dat Bienschen)
  8. Puppen weinen nicht (COMBO COLOSSALE, feat. Michael Flexig)
  9. Kosmetik (JOACHIM WITT)
  10. Ich will (UKW, feat. Peter Hubert)
  11. Pure Lust am Leben (GEIER STURZFLUG, feat. Geier Sturzflug)
  12. Pogo in Togo (UNITED BALLS, feat. Dat Bienschen)
  13. Schön sind wir sowieso (MARKUS, feat. Michael Flexig)
  14. Goldener Reiter (JOACHIM WITT)

Besetzung

  • Bass

    Andreas Dill

  • Gesang

    Martin von Auen, Hubert Kah, Frl. Menke, IXI, Paso Doble, Dat Bienschen, Michael Flexig, Peter Hubert, Geier Sturzflug

  • Gitarre

    Tommy Feiler

  • Keys

    Sebastian Luck

  • Schlagzeug

    Sebastian Dill

Sonstiges

  • Label

    Timezone GbR

  • Spieldauer

    58:02

  • Erscheinungsdatum

    09.03.2012

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