„Pt. 1: Noah“ führt Erwartungshaltungen ad absurdum, denn die Familienbande UNWRITTEN PAGES sieht für ihr zweites Album von fantastischen Themen biblischen Ausmaßen ab, um angenehm geerdeten Prog Metal zu spielen und sich dabei eine Grundoriginalität zu wahren.
Dass die Epes recht gut singen können, macht auch Gastsänger (letztens mal wieder Damien Wilson) verzichtbar, wobei im eröffnenden „Asylum Tragedy“ noch der Haussegen schief zu hängen scheint: man achtet mehr auf die elektronischen Einsprengsel, als den Text zu verinnerlichen, weil die Stimme vor dem finsteren Soundwust etwas ins Hintertreffen gerät und in Sachen Melodie zu wünschen übriglässt. Weichen UNWRITTEN PAGES im weiteren Verlauf auch nicht von dieser Düsterkeit ab, werden die Songs nahbarer. „Intoxicating Sweets“ versprüht die in sich gekehrte Melancholie von RIVERSIDE mit einem kräftigeren Refrain wie bei neueren FATES WARNING, und der Beat bleibt fein rockig zum Kopfnicken. Dass man die Rübe auch anstrengen darf – dafür sorgen die klasse Texte („Terminal Defect“) im Booklet, das wie von Hugh Syme ersonnen aussieht.
Hart und schwer klingt hinterher „Perfect Incentive“, Refrain-technisch aber genauso strahlend wie sein Vorgänger. Die interessanten Arrangements und Sounds, perfekt inszeniert dank Mastering von Tommy Newton, halten die Musik der Band durchweg spannend, ohne dass die Macher instrumental Kapriolen schlagen müssen, ganz ähnlich wie bei THRESHOLD, deren Hitdichte man aber nicht erreicht. Spielerische Zungenschnalzer hört man vor allem während des RUSH-igen „Terminal Defect“ trotzdem, so es passt, aber eben nicht zum Selbstzweck. Hier wie an anderen Stellen will sich die Gruppe partout nicht auf Vorbilder festlegen lassen, denn die genannten dienen allenthalben als ideelle Richtschnur, machen aber doch leicht andere Musik als UNWRITTEN PAGES.
In „Kaleidemote“ zischt es an allen Ecken und Enden, ohne dass die Musik ins Avantgardistische oder narzisstisch art-rockige umschwenkt. Die Strophen-Vocals sagen hier PORCUPINE TREE, der Refrain abermals US-Prog, wie ihn The Laser's Edge zu besten Zeiten herausbrachten. Die Ballade „Wasted Land“ (mit Mundharmonika) ist dann eine dicke Überraschung und gelingt auf allen Ebenen, gerade wegen des mitreißenden Gesangs vor einer Kulisse mit Soundscape-Charakter. Dass UNWRITTEN PAGES letztlich doch harte Kerle sind, die eben gern unerhörte Klänge einflechten, stellen sie mit dem Finale „Auxiliary Influx“ klar: treibender Rhythmus und kerniger Gesang einerseits, virtuos zirpende Strophen und synthetische Soundkunst andererseits. Dass dahinter niemals das Herz verschwindet, nimmt man dankend und bitte kaufend zur Kenntnis.
FAZIT: Kein Label? Vielleicht möchten UNWRITTEN PAGES selbstständig bleiben, doch im Bereich Progressive Metal pinkeln die Musiker mit „Fringe Kitchen“, einer intensiven und originellen Scheibe, einer Menge etablierter Bands ans in Siebenachtel zu tanzen gewohnte Bein.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 05.10.2012
Sander Stappers
Lothar Epe, Fred Epe, Michel Epe
Fred Epe, Michel Epe, James Cook
Fred Epe
John Macaluso
Eigenvertrieb
54:03
25.05.2012