Der jung verstorbene Diedrich Hünten, zur Hochzeit der ersten Death-Metal-Welle Sänger einer Band aus dem Bonner Raum namens Obscure Fuckup, stand für VALBORGs erstes Album nach Abschluss ihrer Einstands-Trilogie Pate, weil er wohl charismatisch war und mit seiner Musik sinnbildlich für die Szene zu Beginn der Neunziger stand. „Nekrodepression“ ist nun kein nostalgischer Rückgriff geworden, sondern eine würdevoll düstere Hommage, die aber nur inhaltlich, nicht klanglich zurückblickt. Die eigenwillige Ästhetik der Zeitgeister bleibt dabei erhalten.
Die Stücke sind mitunter recht kurz ausgefallen, und dies nicht einmal unter Aufwendung von Minimal-Ideen, also keinesfalls dahingeschludert, um irgendwie „authentisch“ zu wirken. Sinnbildlich für den erstrebten Effekt steht vielmehr das wahrscheinlich bewusst mit Rechtschreibfehlern im englischen Text (man denkt hierbei daran, dass einst jedes Kuhdorf seine Jugendzentrums-Todesmetall-Band hatte) versehene „Kloster“, ein in seiner Knappheit instrumental relativ vielschichtiger Song mit abgründigem Sprechgesang.
„Kugelblitz“ klingt nach dem Donnerwetter-Intro einer beliebigen Demo-Kassette von damals, das Beinahe-Instrumental „Zyklop“ (gleichzeitig auch der ganze Text) verbindet die für VALBORG typisch flirrenden Gitarren mit einem stolpernden Mitdtempo-Groove, und „Massaker in St. Urstein“ betont das Primitive des waschechten, rohen Death Metal, der immer schon vom Punk beeinflusst war, nicht auf pseudo-schlecht gespielte Weise, sondern ebenso mit ureigener Handschrift. „Ich fresse die alte Sommernacht“ macht BETHLEHEM nicht nur hinsichtlich des Titels (Text dito) Konkurrenz, sondern ist ähnlich zäh und störrisch ausgefallen wie die Musik von Bartsch und Schergen. Dazu passt das schamanistische „Taufe“, welches den Titel des Albums aufgreift und ansonsten an die behelfsmäßigen Synth-Experimente der jungen Extrem-Metal-Szene erinnert, bevor VALBORG mit „In Ekklesia“ beides verbinden und die Gothic-Koketterie insbesondere der frühen Peaceville-Bands rekapitulieren, abermals jedoch ohne zu kopieren. „Opfer“ ist ein Tasten-Outro, dann Leerlauf und schließlich ein flotter Abgang mit singenden Gitarrentönen und teils geschrienem, Teils geraunten Text.
Mit seiner beschwörend klar vorgetragenen biblische Anspielung ist der finsterer Doomer „Tempelberg“ neben dem hypnotisierenden „Under The Cross“ und dem besonders eingängigen „Springtime Woman“ das Glanzlicht (?) einer wieder einmal nicht allgemeinverbindlichen („Kauft, kauft, ihr Schäfchen, Pflicht für jeden echten Nietenpapst“, und so weiter), aber auch nicht alltäglichen Scheibe voller zeitgenössischer, weitergedachter Metal-Musik.
FAZIT: Abgesehen davon, dass sich hier Early-Death-Stimmung einstellt, ohne dass VALBORG solche Musik spielen, ist „Nekrodepression“ emotional intensiv wie inhaltlich interessant ausgefallen.
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 27.10.2012
Jan Buckard
Christian Kolf, Jan Burckard
Christian Kolf
Florian Toyka
Zeitgeister
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02.11.2012