Betrachtet man die Aufmachung dieses Samplers für die Generation ADHS, fühlt man sich unangenehm darauf gestoßen, wie sinnentleert gewisse zeitgenössische Strömungen innerhalb harter Musik sind: Grelle wie stromlinienförmige Comic-Artworks (der Core-Bereich scheint aus maximal zwei prägenden visuellen Künstlern zu bestehen, die wie jene auf Seiten der Bands fleißig kopiert werden) ohne Aussage werden mit den unsäglichsten, weil ebenfalls von alle Inhalten befreiten Merkmalen aus alter Zeit verbunden, ob Patronengurte oder Sonnebrillen. Das Totschlagwort „Brutal“ bedient ebenso alle Klischees wie die natürlich höchst ironisch eingesetzten Kinder-Models. Welcher Zweifler ist da nicht bereits bedient und möchte sich noch von der Musik überzeugen lassen? Eben.
Das Booklet geizt abseits der Songwriting-Credits mit Infos zu den Combos, dafür leider nicht mit Geschwätz. Die Macher erweisen sich als Selbstdarsteller, denen es eher um Franchise-Vermarktung zu gehen scheint als um Musik. Diese könnte vermutlich nur auf einem Grindcore- oder Orthodox-Schwarzmetall-Sampler einheitlicher und gesichtsloser ausfallen. Der allgemeine Tenor lautet: halb aggressives Geseier vor Plastik-Stakkato und Thrash-Rhythmik, und dann folgen klare hymnische Refrains, vielleicht auch Bombenexplosions-Samples und elektronischer Zierrat (UNLEASH THE SKY und ganz schlimm mit durch den Prozessor-Wolf gedrehten Vocals ANNISOKAY) oder Indie-Pop-Unterträglichkeiten, mit der BREAKDOWNS AT TIFFANY`S (ohne Worte) und MALRUN kokettieren.
FOR ALL THIS BLOODSHED wären gerne ARCH ENEMY, klingen aber wie eine Musik-AG der Mittelstufe mit einer altersschwachen Sabina Classen am Mikro, und LAVATCH beziehungsweise LEONS MASSACRE (mit „Family Guy“-Sample) wünschen sich, am Thron von CONVERGE zu sägen, was aber mit Jammerlappen-Gesten und gezwungenem Fun nie und nimmer funktionieren wird. Die Melodien all dieser Bands sind eigentlich keine mehr, so abgedroschen muten sie im Ohr des Hörers an, sondern Fingerübungen, die man sich bei den einschlägigen Vorbildern abgeschaut hat. Dies trifft auch auf die etwas technischeren DROWN MY DAY (US-Death-Kreisklasse) und DISPOSED TO MIRTH zu – viele Töne, keine Substanz …
WE ARE WOLF versuchen sich an Black-Metal-Raserei, KILL ALL THE SEXY PEOPLE an College-Girl-Chören hinter stumpfen Grunzen, und THE HAND OF GLORY sowie die gelobten A TRAITOR LIKE JUDAS spielen ihren unterschwellig harmonischen Schuh herunter, wozu die Durchhalteparole im Text perfekt passt. ALL WILL KNOW wirken wie eine Parodie auf finnischen Keyboard-Pop-Death, und VIRTUE CONCEPT, die auf unseren Seiten recht milde behandelt wurden, erweisen sich in dieser Gesellschaft von vornherein als wesentlich schwächer. Überdruss lautet das Stichwort im Zusammenhang mit „Brutal Vision“, wobei selbst RISING ANGER, die zunächst zwischen neurotischem Zähfluss und leichter Schweden-Note pendeln, zum Ende hin in den Wust des Nichtigen geraten. THEY SHALL DAMAGE hingegen grooven zumindest.
Ansonsten fällt jedoch auf, dass Pausen in den Stücken dieser Gruppen selten atmen, und die Sänger blöken ohnehin faktisch alle gleich. TRAEOS' bemüht tragisches „Ever Sea Born“ ist übrigens der einzige unveröffentlichte Song der Zusammenstellung. An Visionen fehlt es der Bewegung eklatant – oder meinen die Zuständigen, sich durch die Wahl der abschließenden Klavierballade von HEYBABYEAH (betont soulige Frauenstimme hier) als besonders künstlerische Chronisten hervorzutun?
FAZIT: „Wir malen nach Zahlen einen Metalcore-Hit, 'ne Hookline muss schon sein, und selbst Oma pfeift mit.Wir malen nach Zahlen, denn es ist populär. Standard-Brett, Sound ganz nett – ist doch gar nicht so schwer …“
Erschienen auf www.musikreviews.de am 18.06.2012
Noizgate Records / Rough Trade
78:35
29.06.2012