Dumm gelaufen für Nuclear Blast? Da holt sich das größte Metal-Label der Welt einen der Vorreiter der Vintage-Rock-Bewegung ins Boot und was passiert? Die eigenwilligen Schweden um Magnus Pelander veröffentlichen fünf Jahre nach dem hochgejubelten "The Alchemist" mit "Legend" ein Album, das wegen des Sounds bei den Die-Hard-Fans durchfällt. Klarer Fall von im Sack gekaufter Katze also? Bullshit!
Für den Puristen mag es ein Sakrileg sein, dass Jens Bogren, der bekanntlich Größen wie KATATONIA, AMON AMARTH, PARADISE LOST und KREATOR produziert hat, für die Aufnahmen von "Legend" hinzugezogen wurde und in der Tat klingt das Album eines nicht: nämlich künstlich auf alt getrimmt. Das Album hat einen wunderbaren, schön warmen und offenen Sound, der den leicht doomigen Classic Rock von WITCHCRAFT ganz hervorragend in Szene setzt. Muss "alte" Musik also zwingend "retro" klingen? Nein, muss sie nicht und im Falle von "Legend" hat man deshalb auch nicht das Gefühl, als würde die Band lediglich vergangene Zeiten zitieren, viel mehr klingt das Album zeitlos und in sich komplett stimmig. Sicherlich ist das in gewisser Weise auch Geschmackssache und für wen der Stil der 60er und 70er unzertrennbar mit einem entsprechenden Sound verbunden ist, mag mit "Legend" nicht zu Unrecht seine Probleme haben, aber der Qualität der Songs tut das keinen Abbruch.
Bandchef Magnus Pelander hat darüberhinaus die Gitarre beiseite gelegt und konzentriert sich fortan auf seinen eigenständigen und charakteristischen Gesang, der zumeist eher sanfter und gefühlvoller Natur ist, nur hin und wieder, wenn es etwas aggressiver wird (was bei grundsätzlich nicht sehr aggressiver Musik entsprechend selten ist), wagt er stimmliche Ausbrüche. Da auch Gitarrist John Hoyles WITCHCRAFT verlassen hat, sind mit Tom Jondelius und Simon Solomon gleich zwei neue Saitenhexer an Bord, die ihre Sachen ganz hervorragend machen. Die oft doomigen Riffs, die tollen Leads und die ausufernden Soli sind absolut stilgerecht und passgenau in die Songs integriert, ohne jedoch zuviel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Was für das Album in Gänze ebenfalls gilt, denn die Lieder auf "Legend" sind zwar nicht gleich als subtil zu bezeichnen, jedoch springen sie dem Hörer auch nicht zwingend ins Gesicht. Oder anders gesagt: man muss dem Album Zeit geben, sich zu entwickeln, damit es seine Wirkung ganz entfalten kann.
So ist der Opener "Deconstruction" zwar nicht unbedingt als sperrig zu bezeichnen, doch eingängig ist er mit hohem Grad an Abwechslungsreichtum in Sachen Tempo und Harmonien auch nicht unbedingt. Das lässigere, doomigere "Flag Of Fate" ist da schon greifbarer, was noch mehr für das leichtfüßige "It's Not Because Of You" mit seinem einprägsamen Refrain gilt. Tolle Gesangslinien und ein dezentes, an SIXTEEN HORSEPOWER erinnerndes Country-Flair mit Slide-Gitarren machen "An Alternative To Freedom" aus. Wer seinen Rock psychedelisch mag, kommt zunächst in "Ghosts House" auf seine Kosten, noch mehr aber im abschließenden Doppelpack, der aus dem ruhig beginnenden und sich steigernden "Dystopia" und dem höchst dynamischen 12-Minuten-Trip "Dead End" besteht und alle Register zieht. Davor weiß "White Light Suicide" mit viel Gefühl zu gefallen, während das kurze, fordernde "Democracy" der aggressivste Song auf "Legend" ist und mit bissigem Text überzeugt. A propos: WITCHCRAFT lassen sich trotz des Bandnamens keineswegs in die Occult-Rock-Ecke stecken, denn ihre sarkastischen, ernsten Texte sind klar aus dem Leben gegriffen.
FAZIT: "Legend" ist ein schönes, eindringliches Album auf konstant hohem Niveau, mit dem WITCHCRAFT beweisen, dass diese Art von Musik auch mit einer zeitgemäßen Produktion funktioniert, denn letztlich ist ein guter Songwriter, der Magnus Pelander zweifelsfrei ist, immer noch wichtiger, als ein Soundengineer, der nur Vintage-Equipment im Studio stehen hat.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 31.10.2012
Ola Henriksson
Magnus Pelander
Tom Jondelius, Simon Solomon
Oscar Johansson
Nuclear Blast / Warner
51:31
21.09.2012