Das Zugpferd des eklektischen Labels AltrOck spielte 2011 im französischen Carmaux für die Bekehrten: Auf dem renommierten RIO Fest wird man garantiert niemals Easy Listening hören, und dementsprechend unterscheidet sich diese Live-Scheibe von herkömmlichen Eins-zu-eins Darbietungen mit Hintergrundgeräuschen aus dem Pulk. Artig zwischendurch Klatschen ist angesagt, wenn YUGEN ihren eckigen Prog ins Rund wuchten, denn schließlich will diese extrem bildhafte Musik in ihrer Gänze erfasst werden.
Das kurzes Noise-Intro „On The Brink“ stammt wie die hauptsächlichen der übrigen Stücke vom jüngsten Studioalbum „Iridule“. Dem überwiegend fließenden Oldie-Doppel aus „Brachilogia“ (synkopischer, harte Hakenschläger) und „Catacresi“ nebst dröhnendem Anhang „La Mosca Stregata“ (alle vom Einstand „Labirinto D'Acqua“), die relativ originalgetreu wiedergegeben werden, schließt sich das neue „Overmurmur“ an, gleichsam ein zu Musik gewordener Flipper-Automat – und dieser Vergleich ist nicht einmal vermessen, denn die Italiener funktionieren wie von selbst, verbinden die für Rock nötige Tightness mit der Intelligenz und malerischen Kraft des Jazz.
Kunstmusik bleiben YUGEN aber dennoch, und nicht zuletzt mit dem erstaunlich sklavisch vorgebeteten Cover von HENRY COWs „Industry“ beweisen die Instrumentalisten geschichtsbewussten Geschmack. Die Herzstücke stellen – wie sollte es anders sein? – die neueren Longtracks dar, allen voran das aufwühlende „Cloudscape“ und sein dissonanter Gegenpol „Becchime“. Der Debüt-Kracher (im wahrsten Sinn des Wortes) „Corale Metallurgico“ schließt ein intelligent konzipiertes Set ab, das man genau so von der Band erwarten durfte. „Mirrors“ ist allerdings weniger eine erhoffte Momentaufnahme, sondern klingt wie vom Blatt heruntergespielt – nicht schlecht, aber dann eher etwas für Compilation-Sammler.
FAZIT: YUGENs Live-Performance besticht durch Perfektion, welche diesen Mitschnitt zur Empfehlung für Neulinge macht, die einen Blick auf das Gesamtwerk der avantgardistischen Instrumental-Progger werfen möchten (die Scheibe mit Tommaso Leddi bleibt außen vor). Machte sich das Publikum in den Pausen nicht bemerkbar, meinte man, es mit einer Studio-Einspielung zu tun zu haben. So ist das eben mit der Pedanterie …
Erschienen auf www.musikreviews.de am 13.12.2012
Matteo Lorito
Francesco Zago
Maurizio Fasoli, Paolo "Ske" Botta
Michele Salgarello
Valerio Cipollone (Saxofon, Klarinette), Jacopo Costa (Marimba, Vibrafon)
AltrOck / Just For Kicks
59:37
14.12.2012