Es ist schon seltsam, wenn im Promo einer CD in keinem Wort von der Musik die Rede ist. Stattdessen berichtet der Beipackzettel von Streitigkeiten mit der alten Plattenfirma und den sagenhaften Charterfolgen des letzten Albums. Nach Hören von „Common Courtesy“ lässt sich dieser Sachverhalt leicht erklären, denn ein verbaler Vorgeschmack auf die dreizehn Titel könnte einen verleiten, das Album gar nicht erst anzuhören. Die fünf Jungs aus Florida bringen tatsächlich ein großes Opfer für ihren wirtschaftlichen Erfolg: die endgültige Disneyisierung des Metalcore. So schick und trendy wie das Vergrößern der Ohrläppchen auf Autofelgenmaße, so Fun und ungefährlich wie der Besuch in einem Fast-Food-Restaurant.
Natürlich wird dieses Album bei den rockaffinen Radiostationen einschlagen wie eine Bombe, schließlich haben die Produzenten und Marketingstrategen hier alles richtig gemacht: Eine fette Produktion, stylische Musiker mit beachtlichen Oberarmgalerien, böse Growls und Shouts, die soweit zurechtgestutzt wurden, bis sie fauchen wie der Drache aus der Augsburger Puppenkiste. Und dazu das ganze Spektrum Hollywoodscher Ausdrucksfähigkeit: vitaler Breitwandrock für die ganze Clique, ausgelassener Punk für den Spaßvogel, heavy (Einton-) Breakdowns für den harten High School-Quarterback, weinerlich-nachdenkliche Akustikballaden für den Frauenversteher. Und alles ist mit einfachen Texten und super eingängigen Riffs und Melodien ausgestattet, die Otto Bürohengst beim ersten Hören mitpfeifen kann, die aber gleichzeitig so gesichtslos sind, dass sie nicht von der Arbeit ablenken.
Das wäre im Grunde völlig in Ordnung, wenn A DAY TO REMEMBER in Sachen Qualität und Einfallslosigkeit nicht so bodenlos ins Klo gegriffen hätten. Hier kommt alles hoch, was man mit jedem Ableben von Kapellen wie ANIMAL ANT FARM oder WHEATUS endlich überlebt zu haben glaubt. Doch man wird, siehe High School Musical und Konsorten, immer wieder eines Besseren belehrt. „Common Courtesy“ nun ist so unglaublich austauschbar geraten, dass es bei allen Erfolgsrezeptsongs nicht einmal zu einem Hit, geschweige denn einer erinnerungswürdigen Passage reicht. Und die „heftigeren“ „IN FLAMES mit Weichspüler“-Parts sind immer noch so angelegt, dass sie im Notfall auch von Heino oder Helmut Lotti übernommen werden könnten. So ist für Teeniefans der spontane Wechsel zu anderen Genres wenigstens nicht so schwer.
Ganz hinten, bei „End Of Me“, hat man noch kurz den Eindruck, dass dieses durchdesignte Produkt tatsächlich aus Musikern besteht, die auch eigene Ideen haben. Oder mit Synthieunterstützung und HURTS-Referenzen zumindest kurzzeitig eine wohltuend andere Richtung einschlagen. Die drei Bonustitel der Deluxeversion sowie der mit unsinnigem Bandgelaber aufgestockte, überlange Longtrack (da erzählt einer tatsächlich, wie er seine Mutti anrief, als er das erste Mal New York zu Gesicht bekam) schließen dann aber sofort wieder den Deckel der Belanglosigkeit über diesem fast perfekten Musikprodukt.
FAZIT: A DAY TO REMEMBER, an album to forget.
Punkte: 6/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 08.12.2013
Joshua Woodard
Jeremy McKinnon
Kevin Skaff, Neil Westfall
Alex Shelnutt
Caroline International
64:14
22.11.2013