Wie wenige Bands sind BAD RELIGION Ikonen geworden, und ihre Alben Artefakte, die man von allen Seiten betrachtet und dennoch nicht kritisiert beziehungsweise in den ewigen Leistungskanon einordnet, weder mit Bezug auf das eigene Schaffen der Gruppe noch auf andere. Trotzdem: Greg Graffin wird 50 und immer noch nicht alt, die Welt nach wie vor keine bessere, und „True North“ der gefühlte Nachfolger zu „The Gray Race“.
Wo die Musiker etwas einfallslos, aber immer noch besser als das Gros ihrer Nachahmer schrammeln („Robin Hood In Reverse“ zitiert SHAM 69, „Fuck You“ sich selbst), bügelt ihr Frontmann mit in ihrer schlichten Prägnanz schlucken machenden Texten aus. „Past Is Dead“ sowie
„Land Of Endless Green“ rechtfertigen hingegen den Einsatz von zwei bis drei Gitarren,
das schmierige „Dharma And The Bomb“ ist fast Sixties-Garage und zeigt genauso wie „In Their Hearts Is Right“, dass Graffin immer noch etwas Spielraum besitzt, was den Einsatz seiner eigentlich beschränkten Stimme angeht.
Einzig „Hello Cruel World“ gemahnt an Alte-Herren-Leutseligkeit, wenngleich würdevoll, da die Knöpfedreher Barresi und Gurewitz ganze Arbeit geleistet haben: Sie verbinden den wichtigen Genre-Rotz mit dynamischer Raffinesse, die jedem Mainstream-Rock-Album zur Ehre gereichte, fokussieren agiles Bassspiel oder sachtes Geklimper ebenso wie knallharte Standardkost der Marke „Vanity“ oder „Nothing To Dismay“ und „My Head Is Full Of Ghosts“. Diese enthebt sich dem Durchschnitt von Emporkömmlingen letztlich durch Wackermans pointiertes Getrommel.
Wie in der jüngeren Vergangenheit hätten es ruhig zwei, drei Songs weniger sein können, gerade zum Ende hin, aber wie gesagt: Institution, Glaubwürdigkeit, riesige Sympathie und auch – das wollen selbst Fortschrittsdenker wie der Sänger selbst nicht unter den Tisch kehren – Nostalgie. Am Ende sind BAD RELIGION immer noch mehr Band als Politikum, deshalb umso zeitloser und weiterhin sehr gut.
FAZIT: Anders als bei vielen Flaggschiffen stellte man sich die neuste Version dieses Modells nicht der Vollständigkeit halber in den Schrank, um es zu besehen und sonst nichts, sondern zieht es gerne heraus und lauscht. In dieser Form darf es gerne noch 20 Jahre weitergehen.
<i>Ein weiteres Review von unserem <a href="http://www.musikreviews.de/mitarbeiter/42/Lutz-Koroleski-Oger/">Lutz Koroleski (Oger)</a> gibt es in den Kommentaren.</i>
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 06.02.2013
Jay Bentley
Greg Graffin
Brett Gurewitz, Greg Hetson, Brian Baker
Greg Graffin
Brooks Wackerman
Epitaph/Indigo
35:12
18.01.2013