Lange köchelte das Postpunk-Revival vor sich hin, brachte einige gute bis sehr gute Platten hervor und hatte mit Bands wie den EDITORS vor allem in der poppigen Ausführung Mainstream-Erfolge. Doch der richtige Knaller, der so richtig für Aufsehen sorgt, blieb bislang aus. Bis jetzt. Denn mit BEASTMILKs Debütalbum hat das Genre seinen ersten Klassiker der Moderne.
Klar, auch BEASTMILK erfinden das Rad nicht neu, angestaubt klingen sie trotzdem nicht. Was daran liegen mag, dass "Climax" von CONVERGEs Kurt Ballou aufgenommen wurde. Und der scheint zu wissen. wie krachend rockender Postpunk im Jahre 2013 klingen muss. Nein, BEASTMILK spielen keine Musik, zu der man im Club in sich versunken den berühmten "mit hängendem Kopf zwei Schritte vor und zwei Schritte zurück"-Tanz vollführt, sondern rocken breitbeinig drauf los, ohne die Trademarks zu vernachlässigen. Typische Rhythmen, markante Basslines und Gitarren, an deren Riffs und Melodien man sich berauschen kann, legen den Grundstein, darauf aufgesetzt der Gesang eines alten Bekannten: Kvohst sang zunächst bei den englischen Black Metallern CODE und sorgte zuletzt mit seinem Folk-Projekt HEXVESSEL für Aufsehen. Bei BEASTMILK ist sein Gesang extrem charakteristisch, manchmal leicht wie Elvis und Glenn Danzig knödelnd, manchmal leidend wie ANATHEMAs Vincent Cavanagh.
Das jedoch ist nur die halbe Miete, den Rest steuert das grandiose Songwriting bei. Nach ein paar Durchläufen - das Material ist nicht so platt, dass es sofort zünden würde - bekommt man die Songs einerseits nicht mehr aus dem Kopf, andererseits weigern sie sich beharrlich, sich abnutzen. Und es ist egal, ob es die offensichtlichen Ohrwürmer wie der Opener "Death Reflects Us", das sachte startende und dann mächtig aufdrehende "Genocidal Crush" oder das mit wahnsinnig geilem Beat pumpende "Love In A Cold World" sind oder Songs wie die ruhigeren "Ghosts Out Of Focus" und das abschließende "Strange Attractors". Oder das mit schrägen Gitarren startende, melancholische und doch flotte "Nuclear Winter", das mit einem wiederum herrlichen Refrain versehene "You Are Now Under Our Control"... egal, die Songs sind durchgehend geil. Und mit zahllosen Details versehen, die einfach nur begeistern, sei es eine einzelne Gitarrenmelodie, eine kleine markante Textzeile, die Betonung bestimmter Wörter oder ein aufgenommenes Mitklatschen.
Und auch wenn BEASTMILK nichts anderes tun, als einem nie weg gewesenen Genre neue Impulse zu verleihen, so gelingt ihnen dies, ohne auch nur eine Sekunde wie die Kopie einer "alten" Band zu klingen. Dass man an "Climax" besonders viel Spaß haben wird, wenn man auf die Musik von JOY DIVISION, BAUHAUS, THE JESUS & MARY CHAIN, CHRISTIAN DEATH oder THE CURE steht, dürfte außer Frage stehen. Verwunderlicher ist da eher die Tatsache, dass BEASTMILK auch in der Metalszene und bei Leuten, die ansonsten eher wenig gothic-affin sind, offene Türen einzurennen scheinen. Wobei der gute Fenriz BEASTMILK ja auch schon seine Absolution erteilt hatte. Oder kurz gesagt: die Finnen mit dem Sänger aus England sind derzeit der heißeste Scheiß, den man auf dem Plattenteller haben kann.
FAZIT: BEASTMILK sind eine großartige Band und klar DER Newcomer des Jahres. "Climax" ist ein großartiges Album mit dem Zeug zum kommenden Klassiker und wird dementsprechend für Furore sorgen. Jede Wette!
Punkte: 14/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 15.11.2013
Arino
Kvohst
Goatspeed
Paile
Svart/Cargo
38:35
29.11.2013