Sie haben es wieder getan: Von einem halben Orchester unterstützt setzen BIG BIG TRAIN ihr "English Electric"-Konzept fort und nehmen sich dabei auf der ganz großen Prog-Rock-Bühne wenig im Vergleich zum ersten Teil.
Und ja, wiederum wecken die Briten zuallererst Assoziationen zu GENESIS, sowohl des Überbaus wegen als auch aufgrund von Longdons Stimme. Davon abgesehen gelingt es dem Ensemble jedoch, seinen symphonischen Sound so kompakt zu inszenieren, dass man sich als Höhrer zu keiner Sekunde überfrachtet fühlt. Vielleicht liegt dies auch daran, dass BIG BIGH TRAIN den Longtrack mit allen Stilschikanen - Mellotron, Chor und motivischer Durchführung eines Hauptthemas im klassischen Sinn) - gleich zu Beginn vorsetzen. Mit "Swan Hunter" folgt ein elegischer Leisetreter, den der aktuelle Drummer aus den Sessions zum Album "V" mitgebracht haben könnte - auch und gerade wegen der Bläser. Das Stück fungiert auch mit leichter Überlänge als Nahtstelle zum ähnlich verhalten beginnenden folgenden, doch "Worked Out" - überragend intensive Gesangsleistung - schaukelt sich mit Call-and-Response-Arrangement zu einer aufbegehrenden Arbeiterkampf-Hymne hoch.
Hinterher führt das inhaltlich kryptische "Leopards" zu einem frühsonntäglichen Cocktail-Frühstück Bessergestellter in einem Park, komplett mit Kontrabass und Kammer-Streichern - eine charmante Alternative zum üblichen Schlenker britischer Bands in ihre folkloristische Tradition, wenn ihnen sonst nichts mehr einfällt. Einmal mehr verleiht Longdon dem etwas zu sachten Ambiente Kanten ... was er im folgenden "Keeper of Abbeys" nicht muss, dem quirligsten Track der Platte. Zwischendurch lassen es BIG BIG TRAIN getragen angehen - passenderweise zum Text über den offenbar tragischen Helden des Stücks.
Von den beiden abschließenden Neunminütern erweist sich "The Permanent Way" als Hommage an den einfachen Menschen, der das eigentliche Rückgrat der Gesellschaft bildet, musikalisch zunächst verhalten umgesetzt, dann aber erfrischend flott und rockig mit Hammond-Orgel. Das pittoreske Finale "Curator of Butterflies" lässt hingegen an ein possierliches Adelsmädchen im goldenen Käfig denken, und entsprechend fragil gehen BIG BIG TRAIN bei der Vertonung der Lyrics vor - eine Tendenz, die man "Part Two" insgesamt bei der Gegenüberstellung mit dem Vorgänger ankreiden beziehungsweise lobend hervorheben kann: Die Gruppe klingt einerseits häufig ruhiger (man mag sagen in sich geschlossener), doch dies verleiht den lauteren Ausschlägen andererseits umso mehr Wucht.
Besetzungswechsel haben der Combo noch nie geschadet, und so gestaltet es sich auch aktuell. Ex-Bart Nick D'Virgilio brilliert ohnehin schon länger hinterm Schlagzeug und beweist damit, wo sein angestammter Platz ist - auch wenn er ein solider Sänger war beziehungsweise ist. Gleichzeitig haftet BIG BIG TRAIN all dessen ungeachtet nie der Ruch eines halbherzigen Projekts oder einer gewollten Allstar-Geschichte an. Vielmehr sind sie Rädelsführer der neuen alten Neo-Prog-Bewegung (ächz ...) und müssen sich mit "English Electric Part Two" gleich neben der jüngsten Scheibe von THE TANGENT einordnen lassen.
FAZIT: Mit "English Electric Part Two" stagnieren BIG BIG TRAIN für die einen auf hohem Niveau, während sich der Nicht-Analyst schlicht an fantastisch ins Schlaglicht gerücktem Progressive Rock erfreut, der wirklich als solcher zu bezeichnen ist - auch wenn er häufig leichtfüßig auftritt.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 27.06.2013
Greg Spawton
David Longdon, Simon Godfrey, Greg Spawton
Dave Gregory, Greg Spawton, Andy Poole
Andy Poole, Andy Tillison, Simon Godfrey, Greg Spawton, Danny Manners, Rob Aubrey
Nick D'Virgilio
Sue Bowran, Geraldine Berreen, Eleanor Gilchrist, Rachel Hall (Geige), Dave Desmond (Posaune), Megan Fisher (Harfe), Ben Godfrey (Kornett), John Storey (Euphonium, Posaune), Abigail Trundle (Cello), Jon Truscott (Tuba), Teresa Whipple (Bratsche)
Giant Electric Pea / English Electric
57:40
28.06.2013