Die beiden späten Werke von 1996 beziehungsweise '98 aus der Feder des Kraut-Flaggschiffs BIRTH CONTROL erfahren von MiG wie zu erwarten eine zwingende Wiederaufbereitung im Digipak mit fettem Booklet, und die Musik spricht immer noch für sich selbst, ist zeitloser Hardrock, welcher der ersten Silbe des Wortes weiterhin gerecht wird - siehe in diesem Zusammenhang ausdrücklich nicht JANE, um nur ein heimisches Beispiel zu nennen.
Organist Fischer prägt das Songwriting der zweiten Inkarnation der Band stark, wie etwa das treibende Doppel aus "I Send My Mind On Vacation" und "Desert Storm" beweist, aber auch das spacige "Preacherman" und der zweite Teil von "Valley Of Darkness", das mit dem Opener die Klammer eines kurzweiligen und fürs Datum seiner Veröffentlichung sympathisch altmodisch auf weiter Flur rockenden Album bildet. Neben dem Instrumental "Automatic World" ragen vor allem der feudale Schmelz von "Jungle City" sowie der erwähnte erste Track heraus, der wie "A Chance To Learn" altersweise bis gebrochen klingt. Der unverwüstliche Nossi trommelte auf "Jungle Life" nach der Reunion wie nichts Gutes und knarrte auch entsprechend ins Mikro, exemplarisch nachzuhören im satten "Call Me".
Horst Stachelhaus' Abgesang (im Beileger herzlich gewürdigt, gestorben ein Jahr nach Erscheinen an Creutzfeldt-Jakob) "Getting There" kommt auch heute noch ein Stück weit facettenreicher daher. Mit dem Opener "When The Night Falls" wagen sich BIRTH CONTROL wieder in verhalten proggiges Terrain - ein Eindruck, den die üppigen Synths und langen Instrumentalparts ("Love Strike") generell hinterlassen. Der getragene Charakter von beispielsweise "Simple As It Seems" und dem regelrecht doomigen Titelstück weist den Stimmungsweg fürs gesamte Album, das somit wie ein Menetekel für kommende Düsterzeiten anmutet. Kompositorisch ist der Vorgänger vielleicht einen Tick stärker, aber mit der Halbballade "The Rose" und dem malerischen Abschluss "After 360 Degrees Of The Cycle" finden sich zwei Glanzpunkt, die das ruppige "Jungle Life" in dieser Form nicht bietet.
Die Boni, vor allem die Konzertaufnahmen aus der Schweiz von Eckhard Gallus, gehören zum Stärksten, was von der Band mitgeschnitten wurde, und können es durchaus mithalten mit "Live".
FAZIT: BIRTH CONTROL mit zwei leicht unterschiedlichen Gesichtern, immer noch gut und wertvoll im deutschen Rock-Betrieb. Wurzelerkundung betreibt man anderswo, mit diesem Doppelpack erhält man einen randvoll gespickten Einblick in die Spätphase der Band, an welcher der Zahn der Zeit und Unglaubwürdigkeit weniger genagt hat als an anderen Kraut-Helden.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 18.12.2013
Horst Stachelhaus
Bernd Noske
Peter Engelhardt
Xaver Fischer
Bernd Noske
MiG
72:29 + 80:19
13.12.2013