Diese hochwertig gefertigte Box stellt im Grunde genommen alles zusammen, was man von Ritchie Blackmores längst im Volksmusik-Programm angekommenen Schaffen nach seiner Hardrock-Karriere braucht, die ersten beiden Alben von BLACKMORE'S NIGHT sowie zwei DVDs, die gespickt sind mit interessantem Bildmaterial der Tourneen zu „Shadow Of The Moon“ und „Under A Violet Moon“ ("Live In Germany 1997-1998", "Under A Violet Moon Castle Tour 2000"). Dazu gibt es Interviews mit dem Gitarristen und seiner Muse Candice Night, sowie Impressionen von hinter den Kulissen und Probeterminen, nicht zu vergessen allerlei ritterlichen Mummenschanz.
Blackmore, der zu den wenigen Künstlern gehört, die Wort halten und nicht im Geringsten an einer Reunion mit seinen früheren Kollegen interessiert sind (nein, diese Box ist nicht als Angebot in dunkel purpurnen Samtstoff eingeschlagen), hat mit diesem Projekt sicherlich eine Idealbild einer Zeit gezeichnet, über deren Lebensumstände man im Grunde genommen nur spekulieren kann, und das New-Age-Totschlagargument, man könne mit der dazugehörenden Musik wunderbar dem Alltag entfliehen, dürfen alternde Hobby-Esoterikerinnen, Waldorf-Lehrer und militante Homöopatie-Befürworter anfügen. Andererseits hat die Zeit erstaunlich wenig an Blackmores Liedern beziehungsweise den Neubearbeitungen von traditionellem Gut genagt, denn hört man sich die ersten beiden Scheiben an, die Ende der Neunziger Jahre erschienen, als noch nicht jeder Skandinavier oder Ostdeutsche meinte, ein neugeborener Minnesänger, Barde oder was Mittelalterliches auch immer zu sein, macht man tatsächlich manchen Klassiker aus, allen voran die Titelstücke der nicht umsonst ähnlich betitelten Veröffentlichungen (sie ähneln sich stark, was zu Beginn der Zweitkarriere noch niemanden verprellte).
Neben zahlreichen Schunklern gefällt vor allem würdevoll aufbereitete Secondhand-Ware wie "Past Time With Good Company", "Avalon" oder "Spanish Nights", nicht zu vergessen Tschaikowski in "Writing On The Wall" und das interessante RAINBOW-Cover "Self Portrait". Es sind aber nicht nur energische Stücke wie das schmissige "Spanish Nights", die bewusst machen, dass Blackmore spielerisch überhaupt nicht weit von dem entfernt agiert, was er mit Strat und Verzerrer abgerissen hat, denn sein Stil ist unverkennbar, der grantige Exzentriker bloß wenn nicht geläutert, so doch unter Kontrolle oder beschwichtigt dank seiner Yoko Ono Candice.
In den Booklets steht alles, was man wissen muss, womit sie eine stimmige Ergänzung zur Musik darstellen, aber die DVDs haben es umso mehr in sich, da hier die synthetische Rhythmusgruppe der Alben wegfällt (die einstweiligen Synth-Fanfaren sind übrigens auch arg) und das Ambiente stimmt, ob im Wohnzimmer oder auf einem Burghof. Zudem geben die Interviews Aufschluss über die glaubwürdigen Beweggründe des tonangebenden Duos, das entgegen der allseits kolportierten Schrulligkeit sehr natürlich und nahbar anmutet. Die Bildqualität entspricht nicht dem gegenwärtigen High-End-Stand, aber das ist auch nicht unbedingt notwendig.
FAZIT: Streitbar hin oder her – mit „The Beginning“ haben sich die Macher nicht lumpen lassen und das Wichtigste in Sachen BLACKMORE'S NIGHT zusammengestellt, einem musikalischen Unterfangen zwischen Barock, Renaissance und hypothetischem Mittelalter mit nahezu entkoppelter Hardrock-Vergangenheit. Dass sich diese Geschichte künstlerisch schon seit über einem Jahrzehnt totgelaufen hat, ist eine andere Frage, doch diese Box bietet neben dem vielzitierten „value for money“ definitiv auch relevante Musik, die man schlichtweg schön nennen darf.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 18.01.2013
Candice Night
Ritchie Blackmore
EMI
65:24 + 58:48 + 69:20 + 73:16
07.12.2012