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Captain Risiko: Sjöfart

Stil: Punk Noir

Cover: Captain Risiko: Sjöfart

Keine Frage, ein echtes Seemannsintro ist bei dem Bandnamen ein Muss, aber der dezente saarländische Akzent lässt den Versuch von CAPTAIN RISIKO, sich als Seebären einzuführen, ordentlich kentern. Der auch in den Texten immer wieder gesuchte Bezug zur Schifffahrt ist ansonsten aber ein roter Faden, mit dem dieses junge Quartett kreativ umzugehen weiß. Begriffe wie „Havarie“ und „in einem Boot sitzen“ werden ja auch gerne für das politische Geschehen an Land verwendet. CAPTAIN RISIKO beschreiben den drohenden Schiffbruch der Gesellschaft wenig poetisch, sondern eher etwas sarkastisch und in sehr direkten Worten.

Das alles könnte man einfach unter „auch ganz nett“ abfrühstücken, wenn der musikalische Vortrag nicht aufhorchen ließe. Markenzeichen ist die häufige Verwendung dissonanter Akkorde, die so geschickt in die Riffs einbezogen werden, dass diversen Altpunks vor Staunen vermutlich alle restlichen Zähne ausfallen. Wenn Progressive Punk nicht so ein seltsamer Begriff wäre, man könnte den Stil so nennen. Dazu verbauen CAPTAIN RISIKO Metal, Rockabilly und etwas Ska in vielseitigen Arrangements, die meist trotzdem wunderbar flutschen – nur etwas Aufmerksamkeit verlangt die Musik eben doch.

Und so werden teilweise richtige Mini-Opern vor dem geistigen Auge inszeniert. Dabei hilft die Varieté-Atmosphäre, die CAPTAIN RISIKO mit etwas Keyboardunterstützung und einfallsreichen Zitaten erzeugen. Anspieltipps sind das zudem mit einem abartig guten Elektrobeat versehene „Cirque fou a lier“ und das den „Einzug der Gladiatoren“ zitierende „Von 1914 oder heute“. Dazwischen gibt es aber auch immer wieder tolle Melodien nach dem „einfach, aber nicht einfältig“-Prinzip wie in „Raketenmann“ und „Sjöfart“. Am ehesten hätte wohl „Nächte mit dir“ das Zeug zum Hit, weil es so ausgelassen schwingt und einen Text enthält, dessen kritischen Ton man beim „Frisch verliebt“-Refrain leicht wieder vergisst.

Ansonsten ist das mit den Texten, vor allem der Vortragsweise so eine Sache: Nichts gegen jugendlich klingende, emotionale Sänger, aber Benedict Schmitt schlägt hier für meinen Geschmack zu oft über die Stränge. Das klingt nach Berliner Schnauze und NDW, ohne deren Wortwitz zu erreichen, oder, wenn man böse sein will, nach einem cholerischen Bill Kaulitz. Bei vier Wörtern fünf Mal die Tonlage zu wechseln ist einfach unnötig und passt eigentlich auch nicht zu den Texten, die ja auch nicht schlicht hysterisch sind, sondern tatsächlich etwas erzählen. Wem diese Masche nicht auf die Nerven geht, der dürfte dann aber nichts mehr an CAPTAIN RISIKO auszusetzen haben.

FAZIT: Musikalisch ist „Sjöfart“ meiner bescheidenen Meinung nach mit das Interessanteste, was derzeit im erweiterten Punkbereich zu finden ist. Textlich mag es Scharfzüngigeres geben, aber mal ehrlich: Wir sind hier nicht beim Poetry Slam. Dass diese Band einmal richtig groß wird, glaube ich dennoch nicht, dann dazu sind die Texte zu frech und die Musik zu raffiniert. Schade.

Punkte: 12/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 09.12.2013

Tracklist

  1. Intro
  2. Sjöfart
  3. Kaiser von China
  4. Cirque fou a lier
  5. Raketenmann
  6. Neongott
  7. Nächte mit dir
  8. Alles taub
  9. Von 1914 oder heute
  10. Sprudelroboter
  11. Seemannslied

Besetzung

  • Bass

    Philipp Prezewowsky

  • Gesang

    Benedict Schmitt, Philipp Prezewowsky

  • Gitarre

    Alexander Mathieu, Benedict Schmitt

  • Schlagzeug

    Hagen Becker

Sonstiges

  • Label

    Fond Of Life Records

  • Spieldauer

    39:20

  • Erscheinungsdatum

    14.10.2013

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