Vorab erst einmal Entwarnung!
Diese Oper ist nicht „ohrenbetäubend“, auch wenn uns genau das der Name dieser Münchner Prog-Band weiszumachen versucht. Sie umschmeichelt eher die Ohren mit komplexer Rockmusik, die durchaus traumtheaterhaft ausbrechen kann. Außerdem tauchen immer wieder indi(e)viduelle, abwechslungsreiche Melodien auf, die ins Ohr gehen und dort nicht gleich wieder raus wollen. Dazu gibt’s zur Vollendung noch ein kritisches Text-Konzept, das über die Schwierigkeiten der nicht immer leichten „Mannwerdung“ philosophiert.
Das hat doch was!?
Auf jeden Fall einen hohen Erinnerungswert an die Zeiten, in welchen man als Prog-Head noch nicht als Vertreter einer Randgruppe ins musikalische Eckchen oder völlig ins mediale Abseits gestellt wurde. Doch diese kreativ-experimentelle Zeit gehört leider seit ca. 40 Jahren der Vergangenheit an. Schön, dass da anno 2013 ein paar junge Burschen daherkommen und sich diesem wunderbaren Zeitalter und seiner Musik annehmen, selbst wenn unsere Musik-Buan wohl in den frühen 70ern noch „Quark im Schaufenster“ waren. Doch dieser Quark wird nun zu einer schmackhaften Sahne, die eindrucksvoll ihr Prog-Metal-Häubchen hinterlässt.
DEAFENING OPERA verbinden auf „Blueprint“ geschickt harte Metal-Elemente, progressive Verspieltheit und melodiösen Rock miteinander, wobei ADRIAN DALEORE seine Stimme je nach Bedarf sehr variabel einsetzt – und dabei manchmal an ANDY TILLISON erinnert. Ähnliches gilt auch für die Musik, die sich traumwandlerisch zwischen den progressiven TANGENT und metallischen VANDEN PLAS ihr eigenes Plätzchen in deren Windschatten sucht. Genauso wird man auch beim 70er-Jahre-Hardrock der Marke DEEP PURPLE oder BLACK SABBATH fündig. Hinzu kommt noch, dass der Keyboarder GÉRALD MARIE über ein feines Gespür verfügt, um den überwiegend metallisch-elektrifizierten Momenten herrliche akustische Piano-Ausflüge mit auf die Rockreise zu geben und gewohnte Stimmungen mit unerwarteten Überraschungen zu kippen.
Bereits der Opener „Her Decay“, der anfangs mit düsteren Klangfarben ein melancholisches Bild in Schwarz-Weiß malt, bekommt nach anderthalb Minuten einen Pop-Anstrich, um dann kurze Zeit später rein akustisch nur mit Gitarre und Gesang fortgesetzt zu werden, bis er mit breiten Keyboardflächen sein Ende findet. Eine Frauenstimme, garantiert von „Tatjana“ auf einen Anrufbeantworter gesprochen und von bedrohlich anschwellenden Keyboardklängen begleitet, leitet dann die harten Musik-Zeiten ein, die neben fetten Bässen, treibendem Schlagzeug und mal jammernden, mal krachenden Gitarren, auch Jazz-Einlagen und Beinahe-Growl-Gesänge beinhalten. Diese musikalische Blaupause bezieht sich auf viele Einflüsse, die sie nicht nur abbildet, sondern auch mit neuen Farbschattierungen versieht. Die Blaupause des Lebens aber, die in den Texten von „Blueprint“ gezeichnet wird, ist dagegen eher von der Tragik des Verlassenwerdens und erfolglosen Suchens geprägt, was besonders in „25.000 Miles“ zum Ausdruck kommt und dem Sänger so einiges abverlangt, egal ob es nun die wechselnden Tempowechsel oder Höhen und Tiefen betrifft.
Leider halten DEAFENING OPERA dann mit „No Man's Shadow“ nicht mehr das hohe Niveau und die empfundene Tristesse des Textes: „The fame is all gone / The ballad's been sung /The final encore / A fool to adore.“, überträgt sich auf die Musik, welche auch bei „Porcupine Syndrome“, ein Song, der übrigens keinerlei Bezüge zu PORCUPINE TREE aufweist, fortsetzt. Aber vielleicht liegt es einfach auch nur daran, dass in den letzten beiden Nummern dieses klassisch anmutende Piano fehlt, das man im Laufe von „Blueprint“ regelrecht lieb gewonnen hat.
FAZIT: Nach einem insgesamt wenig beachteten Debüt-Album legen DEAFENING OPERA mit „Blueprint“ einen beachtens- und stellenweise bewundernswerten „Zweitling“ nach, der glücklicherweise nicht als Blaupause der ersten CD, sondern als progressives, hart rockendes, aber auch nachdenklich-akustisches Musikkunstwerk daherkommt.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 31.07.2013
Christian Eckstein
Adrian Daleore
Moritz Kunkel, Thomas Moser
Gérald Marie
Konrad Gonschorek
Eigenvertrieb
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31.07.2013