Um mehr oder weniger notwendige Live-Veröffentlichungen waren DEEP PURPLE nie verlegen, jetzt erscheint ihr erstes Studioalbum nach acht Jahren, das in diesem Sommer viel lobende Kritik einheimste, mit einem weiteren nicht eben notwendigen Live-Sampler als Bonus. Nicht dass sich das Flaggschiff noch in puncto Bühnenperformance beweisen müsste oder dass nicht jeder Halb-Fan mindestens eine Konzertplatte der Combo im Regal stehen hat, aber wie dem auch sei: Da auf diesen Seiten noch nichts zur "Now What?!" geschrieben wurde, holen wir dies gerne nach, zumal die Doppel-CD hübsch aufgemacht wurde und so zumindest etwas bietet für die Kohle.
Die sogenannten "The Now What?! Live Tapes" kommen mit einem zusätzlichen Booklet mit allerlei Infos, das ausgewählte Material aus dem Sommer 2013 ist nicht ausschließlich offensichtlicher Natur, und der eigentliche Hauptteil kann sich tatsächlich hören lassen. In diesem Haushalt rotiert "Now What?!" seit Erscheinen recht regelmäßig und ist nach anfänglicher Skepsis gewachsen: Nach Experimenten (insbesondere auf "Bananas") zur eigenen Standortbestimmung wirkt die von Bob Ezrin traditionell inszenierte Scheibe zunächst sogar behäbig, aber letztlich ergibt sich ein äußerst stimmiges und vor allem immer noch spannendes Bild.
Selbst das steife, wenn auch nett orientalisch anmutende "Weirdistan", das unauffällig schmatzende "Après Vous" und das allzu behäbige "All The Time In The World" stellen keine Ärgernisse dar. Der Rest besteht aus Treffern verschiedener Art. da wären einerseits "A Simple Song" - der Beginn ist quasi "Child In Time" für alte Männer - und das leutselige "Above And Beyond" neben dem schummrigen Prog-Blues "Blood From A Stone" als Vertreter gediegener Machart., und bietet "Hell To Pay" wenig mehr als gleichwohl bestechenden Classic Rock vom Programmatischsten, zeigen das bombastisch wie das völlig unkonventionell strukturierte "Uncommon Man" und das düstere "Out Of Hand", dass DEEP PURPLE weiterhin für Überraschungen gut sind.
"Vincent Price" dürfte der Song der Scheibe überhaupt sein, das swingende "Body Line" zeigt einem blendend aufgelegten Ian Paice, und der Honky Tonk "It'll Be Me" (fungiert als Bonustrack) gewinnt Gillan unverhofft dunkle Töne ab, die der grauen Eminenz trefflich stehen. Eine Stunde ohne Füllmaterial, mit Kraft und Niveau bei hörbarer Motivation bis in die Haarspitzen. Es wäre eine Schande, wenn die Band wieder so lange für ihr nächstes Album bräuchte oder gar endgültig abtritt, wie sie selbst immer wieder kolportiert.
FAZIT: Ein würdevolleres Alterswerk kann eine legendäre Band kaum abliefern. DEEP PURPLEs "Now What?!" muss man sich nicht schönhören, weil es nach so langer Zeit gekommen ist, und auch nicht in einer Sonder-Edition wie dieser kaufen. Wer es aber noch nicht getan hat, schiebt sich eben eine weitere Live-Platte der Gruppe in die Sammlung.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 29.11.2013
Roger Glover
Ian Gillan
Steve Morse
Don Airey
Ian Paice
earMusic / Edel
64:33
29.11.2013