Wenn es um Metal geht, mimt der Schwede ja bekanntermaßen gerne den sterbenden Schwan. Da wird der Kopf zuerst rot vor Aggression und dann klatscht die Hand im Refrain theatralisch an die Stirn, die Augen schließen sich traurig verzerrt und das Gegrunze verwandelt sich in melancholischen Flehgesang. Als Idee an sich hat dieser altbewährte Wechsel ja auch reichlich Ausdruck (weshalb letztlich auch alle Wege zum ikonischen Denkmal von IN FLAMES führen), nur stehen die Bands reihenweise Schlange, und die immergleiche Weltschmerzpose in einer Synchronaufführung ist allenfalls noch putzig. Klon ploppt aus Klon ploppt aus Klon.
Aus der Reihe tanzen wäre so einfach, man müsste bloß mal kurz zur Seite springen, auch wenn dann vielleicht der böse Ausbilder (aka: der konservative Pöbel) kommen mag und Private Paula den Arsch versohlt. Doch blaugelbe Melodeather versuchen es immer nur auf die qualitative Methode: Alles so wie immer machen, nur eben besser als die Anderen. DEGRADEAD schließen sich dessen unkompliziert an.
„The Monster Within“ ist für Genrefreunde sicherlich dennoch ein Gewinn. Es lässt die qualitativen Mittel erkennen, mit denen man in der grauen Masse dezent leuchtet und vom herannahenden Aufseher besser registriert oder zumindest unterschwellig abgespeichert wird. Das Zeug geht ganz gut nach vorne, der neue Drummer fügt sich organisch ins Gefüge und sorgt dafür, dass die meist einprägsamen Riffs safe and sound an den Zielort gebracht werden. Den Edelstaub pustet aber vor allem Mikael Sehlin per Mikro in die Stratosphäre. Wie all seine Mitstreiter hält er sich zwar strikt an die Regeln des Spiels, doch singen kann der Mann offenbar. Und schreien. Und husten. Sowohl die aggressiven als auch die emotionalen Parts funktionieren, weil Sehlin ihnen stilsicher Beine macht. Dem Gelegenheitshörer wird er spätestens in der Halbzeitpause „We’ll Meet Again“ auffallen – eine furchtbar klebrige Powerballade (mit zarten Flöten und Streichern zur Untermalung!), doch dem Frontmann bietet sie Platz zum Glänzen.
Die Lyrics glänzen nicht mit. Die Allgemeinplätze um inneren Schmerz, Wahnsinn, Trauer und die berühmte zweite Person Singular, die i.d.R. für all den Mist verantwortlich ist, gehen inzwischen fürchterlich auf den Nerv, egal bei welcher Band. Allzu oft entsteht der Wunsch, die Riffwellen mögen doch beim nächsten Mal andere Botschaften ans Ohr tragen.
Nach 40 Minuten ist das innere Monster dann auch überwunden. Keine Minute zu früh, denn so kompetent DEGRADEAD den Schuh runterledern mögen, abgesehen von der beschriebenen Ballade sind alle anderen Songs letztlich nur Variationen voneinander, jeder mit einem besonderen Mainriff, einem Solo oder einem hübschen Stakkatolauf. Die Energie reicht zwar, bis das CD-Wechsle-Dich-Spiel eingeleitet wird, dann ist aber auch die Luft raus.
FAZIT: Gehobene Kost für Genrefreunde. Wenn das CD-Regal mal zu platzen droht, wird „The Monster Within“ vielleicht später aussortiert als manch anderer Lückenfüller; über kurz oder lang wird es aber wohl doch aussortiert, denn hier findet sich zwar Gutes, aber nichts Einzigartiges.
Punkte: 8/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 03.10.2013
Michel Bärzén
Mikael Sehlin
Anders Nyström, David Szücs
Amit Mohla
Metalville
40:57
13.09.2013