Seit nunmehr genau 20 Jahren machen diese komplett abgefahrenen Finnen die Musikwelt und auch deren Kritiker verrückt, indem sie ihnen folgende Rätsel aufgeben:
1. „Meinen die Jungs das wirklich ernst, was sie da musikalisch abziehen?“
2. „Wenn dieser Humppa dermaßen abgeht, warum hat er eigentlich noch nicht die Welt erobert, wo er es doch längst verdient hätte – ganz ähnlich wie beispielsweise die finnische Sauna?“
3. „Welche Original-Versionen irgendwelcher Musik-Evergreens aus so etwa allen Musiksparten verbergen sich hinter jedem einzelnen Humppa-Hit, der ja so eine Art unorthodoxe Verarschung kleiner Musik-Heiligtümer zum Inhalt hat?“
4. „Wie kommt es, dass unsereins, der früher Polka hasste, weil irgendwelche Erierköppe durch Festzelte dazu Polonaisen durchziehen mussten, was einem immens peinlich war, plötzlich von der finnischen Humppa-Variante dermaßen gefangen genommen wird?“
Alles Fragen, die sich einem stellen, wenn er ein Album von ELÄKELÄISET in den Händen hält. Eigentlich ist es egal, welches. Denn von diesem finnischen Musik-Virus wird man unweigerlich infiziert. Wobei gilt, dass im Grunde jedes Album große Ähnlichkeiten aufweist. Wir haben es eben mit finnischem Humppa zu tun, der immer einem recht ähnlichen Schema folgt: Ein treibendes Schlagzeug eröffnet den Song, dann erklingt unverkennbar der Rhythmus des gecoverten Evergreens um daraufhin mit Schifferklavier, Kontrabass und Gesang zum schieren Humppa-Wahnsinn getrieben zu werden. Überraschend dürfen dann auch mal Flöten und jede Menge Blasinstrumente das Musikkraut dermaßen fett machen, dass jeder noch so kurze Song am Ende ein totales Eigenleben entwickelt.
Und natürlich dürfen die Coverversionen nicht etwa in ihrer Ursprungssprache vorgetragen werden, sondern bekommen einen finnischen Text. Da tut es dem Hörer schon echt leid, dass er den nicht versteht – denn bei der Freude und Abgefahrenheit, die solche Musik vermittelt, wird sicher auch der Text noch einen gehörigen Anteil dazu beitragen. Zwar will ich hier nicht zu viel verraten, aber die hier Humppa genommenen Evergreens sind schon mehr als kurios: „El Condor Pasa“ zum Beispiel oder „Quantanamera“ neben „La Bamba“, „Swing Low Sweet Chariot“ und „O Sole Mio“. Auch „Waltzing Mathilda“, „The Wanderer“ und „Young Man Blues“ sind zu entdecken. Wer glaubt, dass man diesen noch so unterschiedlichen Liedern keine riesige Humppa-Glocke überstülpen kann, der irrt! ELÄKELÄISET sei dank!
Übrigens sind die ausgeflippten Musik-Finnen ab April auf Deutschland-Tour und ich glaube, dass die Freude, die unsere finnischen Freunde schon auf CD vermitteln, live wohl noch um Längen getoppt wird. Das sollten wir uns nicht entgehen lassen und ich merke mir schon mal den 16. April 2014 vor. Da lohnen bestimmt die knapp 100 Kilometer, um nach Leipzig in die Moritzbastei zu fahren – hoffentlich übersteht das alte Gemäuer diesen schieren finnischen Wahnsinn und es bleibt ein Stein auf dem anderen. Sicher bin ich mir in dieser Beziehung nicht – bei diesem „Finnish Dynamite“!
FAZIT: Musik, die man nicht bewerten, sondern nur verblüfft bewundern kann. So, als würde man im Filmsektor aus „Apocalypse Now“ und „Das Leben des Brian“ einen Film zusammenschneiden, der am Ende selbst pazifistischen Moralaposteln und katholischen Hardlinern vor Lachen die Tränen in die Augen treiben würde.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 15.11.2013
Martti Varis
Onni Waris, Petteri Halonen, Lassi Kinnunen, Martti Varis, Kristian Voutilainen
Petteri Halonen
Onni Waris, Petteri Halonen
Kristian Voutilainen
Lassi Kinnunen (Akkordeon)
Nordic Notes / Beste Unterhaltung
35:51
15.11.2013