Abseits des konservativen bis weiterdenkenden Black-Metal-Zirkus kristallisiert sich in Norwegen allmählich eine feine Psych-Szene heraus. Jüngste Weltraum-Piloten nach SPECTRAL HAZE: Diese Combo mit dem unauffällig judaspriesterlichen Namen.
Grün hinter den Ohren sind die Mitglieder gleichwohl nicht: Sie spielen parallel unter anderem bei THE ALEXANDRIA QUARTET, THE MEGAPHONIC THRIFT, den Indie-Proggern HYPERTEXT, LOW FREQUENCY IN STEREO und gemeinsam mit der großartigen Jessica Sligter. Der Sound von ELECTRIC EYE ist allerdings wie geschaffen für geschmäcklerische Spezialisten: Beruhend auf dem unbeirrbar stoischen Beat von HAWKWIND wagen die Bergener eine regelrecht progressive Deutungsart ihres Stils - inklusiver virtuoser Synthesizer, funkigem Bassspiel und jazzigem Streicheln der Drums, im abschließenden "Electric Eye" gleichsam Streicher-Sounds sowie Postrock-Andeutungen auf struktureller Ebene.
Das eröffnenden Instrumental "6 AM" wirkt mit seiner eingängigen Synth-Fanfare wie ein Weckruf, das Sitar-schwangere "Tangerine" gleicht einem Post-BEATLES-Raga mit stark hypnotischem Charakter, der allerdings nicht darüber hinwegtäuscht, dass sich die Combo gegen akustische Langeweile verwehrt: Ihre Kompositionen beschreiben ein stetes Auf und Ab, sind im Fall von "Morning Light" sogar fast tanzbar und verfügen anders als so oft in diesem Genre über griffige Motive, dank derer man sie auseinanderhalten kann ...
... und immer wieder gerne bewusst anwählt, um sich einer bestimmten Melodie zu erfreuen, wobei sich nach einigen Durchläufen "The Road" als erzählerischer Konsens-Song etabliert. Mit "Lake Geneva" künden ELECTRIC EYE mitnichten von Rauch auf dem Wasser, sondern vernebelter Bong-Brühe, denn so hippiesk klingt die Band ansonsten selten: Samples, Percussion und nöliger Gesang und eine stärker elektronische Ausrichtung machen das Stück zu einem veritablen Kraut-Tribut. "Kruskontroll" versprüht unterschwellig Sex-Appeal und würde sich mit einem charismatischeren Sänger - dieser stellt ELECTRIC EYEs Achillesferse dar - bestens in den Kanon von THE DOORS fügen.
FAZIT: ELECTRIC EYE stehen mehr noch als ihre erwähnten Landsleute zwischen Tradition und Zukunft des Space Rock im weitesten Sinn, sind bereits jetzt spannender als THE WARLOCKS oder SPACEMEN und dürften gerne einmal mit DEAD SKELETONS auf Tournee kommen - Skandinavien ist das neue Himmelreich der Psych-Szene.
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 16.05.2013
Njål Clementsen
Njål Clementsen
Øystein Braut, Anders Bjelland
Øyvind Hegg-Lunde
Klangkollektivet
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05.04.2013